Rz. 50

Nach § 116 Nr. 1 ZPO erhalten sogenannte Parteien kraft Amtes Prozesskostenhilfe bewilligt, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen.[80] Unter den Begriff der Partei kraft Amtes fallen:

Testamentsvollstrecker,
Nachlassverwalter,
Zwangsverwalter,
Insolvenzverwalter,
vorläufiger Insolvenzverwalter (§§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO),
Nachlasspfleger,
der Pfleger für Sammelvermögen (§ 1914 BGB),
der Pfleger für ein ungeborenes Kind (§ 1912 BGB).
 

Rz. 51

Die Kenntnis der Voraussetzungen, zu welchen eine Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe bewilligt bekommen kann, ist auch für den Vertreter der gegnerischen Partei von höchstem Interesse, da einige Instanzgerichte dazu neigen, fast ungeprüft die Voraussetzungen zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu bejahen. Häufig endet allerdings der Streit für die Partei kraft Amtes bereits mit der rechtskräftigen Ablehnung der beantragten Prozesskostenhilfe.

 

Rz. 52

Wie sich aus dem Gesetzestext herleitet, sind die für eine Prozessführung benötigten Mittel zunächst aus der verwalteten Vermögensmasse zu entnehmen. Die verwaltete Vermögensmasse ist unzulänglich i.S.v. § 116 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, wenn die Kosten (Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten) weder aus den vorhandenen Barmitteln noch aus kurzfristig liquidierbaren Mitteln des Anlage- oder Umlaufvermögens aufgebracht werden können. Jedoch dürfen der Masse nicht die Mittel entzogen werden, die zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Insolvenzverfahrens anderweitig benötigt werden.[81]

Hier ordnen die Verfahrensvorschriften der §§ 54, 55 InsO einen Vorrang der dort näher bezeichneten Verbindlichkeiten an. Erst wenn diese Kosten gedeckt sind, ergibt sich eine mögliche freie Masse zur Führung des Prozesses, wobei dem Insolvenzverwalter gesicherte Prognosen zugestanden werden.

Dies zu ermitteln, lässt sich anhand einer Bilanz nachvollziehen. Übersteigt hiernach das Passivvermögen das Aktivvermögen, so ist die Masse unzulänglich.[82] In diesem Zusammenhang spielt es eine Rolle, ob eventuell Massevermögen kurzfristig zu verwerten ist.[83] Nicht erforderlich hingegen ist, dass der Insolvenzverwalter zunächst andere Schuldner in Anspruch nimmt, um auf diese Weise ausreichend Masse zur Durchführung eines Rechtsstreits zur Verfügung zu haben.[84] Hierbei ist es unerheblich, ob der Einsatz des Vermögens wie nach § 115 ZPO zumutbar ist. Dies zu beurteilen, verlangt stets eine Betrachtung des Einzelfalls.

Allerdings kann es erforderlich sein, dass der Insolvenzverwalter darlegt, dass eine Vorschussleistung einzelnen Gläubigern nicht zumutbar ist.

 

Rz. 53

Erst wenn die Masse nicht ausreicht, um die Kosten des Prozesses aufzubringen, ist zu prüfen, ob nicht die wirtschaftlich Beteiligten zur Zahlung herangezogen werden können, wenn dies zumutbar ist. Die Darlegung der fehlenden Zumutbarkeit spielt vor allen Dingen dann eine Rolle, wenn der Gläubiger aufgrund der Höhe der Forderung und der Wahrscheinlichkeit der Durchsetzbarkeit der Forderung mit einer erheblichen erhöhten Quotenzahlung zu rechnen hat. Hierdurch soll verhindert werden, dass die Kosten des Verfahrens auf die Allgemeinheit abgewälzt werden, wenn einzelne "Hauptgläubiger", wie z.B. Banken und Versicherungen ein übergeordnetes Interesse an der Durchsetzung der streitigen Forderung haben. Das OLG Hamm 27 W 31/07 formulierte hierzu bereits frühzeitig: Die Aufbringung eines Prozesskostenvorschusses ist für einen Insolvenzgläubiger – unabhängig von sonstigen Vergleichsrechnungen – auch dann zumutbar, wenn der infolge der Prozessführung für ihn zu erwartende Mehrerlös ein Vielfaches (hier das Sechsfache) des erforderlichen Vorschusses beträgt.

In diesem Zusammenhang hat der BGH[85] im Rahmen einer Insolvenz entschieden, dass eine wirtschaftliche Beteiligung nur dann besteht, wenn sich die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger im Falle eines Klageerfolges erheblich – mittelbar[86] – verbessern. Etwas anderes gilt nur in den Fällen, in denen der Kostenbeitrag der Gläubiger hauptsächlich dazu beitragen würde, die Befriedigung von Massegläubigern oder von – nicht zur Kostentragung heranziehbaren – Großgläubigern sicherzustellen.[87] Die Zumutbarkeit einer Vorschussleistung besteht jedoch nur für solche Gläubiger,[88] welche die erforderlichen Mittel unschwer[89] aufbringen können und deren zu erwartender Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse und Prozessrisiko angemessenen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich größer sein wird.[90] Dies scheidet bei solchen Gläubigern aus, denen nur verhältnismäßig niedrige Einzelforderungen zustehen oder deren Quote sich nur geringfügig erhöht, sodass der potentielle Gewinn durch den anteiligen Kostenbeitrag nahezu aufgezehrt oder sogar überstiegen wird.[91] Bei ausländischen Gläubigern kann nicht pauschal...

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