Rz. 248

Problematisch ist die gleichzeitige Berücksichtigung von gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten sowohl bei den Unterhaltsberechnungen als auch bei der Berechnung von Zugewinnausgleichsansprüchen, denn hierdurch wird der wirtschaftlich schwächere Ehegatte regelmäßig zweimal belastet.

aa) Die verschiedenen Auffassungen

 

Rz. 249

Allgemeine Meinung ist, dass eine Wechselbeziehung zwischen den Auswirkungen der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten im Rahmen ihrer Berücksichtigung beim Unterhaltsrecht mit dem Effekt ihrer Einstellung in die Zugewinnausgleichsberechnungen hergestellt werden muss.

 

Rz. 250

In der Rechtslehre wird – soweit ersichtlich – überwiegend die Auffassung einer wertenden Lösung bei gleichzeitiger Negierung eines Doppelverwertungsverbotes im strengen Sinne vertreten.[153]

Der Unterhaltsstreit und die Auseinandersetzung im ehelichen Güterrecht sowie die zivilrechtliche Auseinandersetzung wegen etwaiger Ansprüche nach § 426 BGB im Gesamtschuldnerinnenverhältnis seien nicht isoliert zu führen, sondern hätten im Hinblick auf die Erzielung schlüssiger Resultate in der Gesamtauseinandersetzung Aspekte, die in den einzeln genannten Bereichen jeweils wertend zu berücksichtigen seien.

 

Rz. 251

Bedient ein Ehegatte eine gesamtschuldnerische Verbindlichkeit im Außenverhältnis allein und zieht er diese finanzielle Belastung im Rahmen der Berechnungen zum Ehegattenunterhalt bereits von seinem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen ab, dann beteiligt er den anderen Ehegatten durch die Minderung von dessen Unterhaltsanspruch wirtschaftlich und damit faktisch bereits an dieser gemeinsamen Verbindlichkeit, mit der Folge, dass bei anschließenden Zugewinnausgleichsberechnungen selbige in beiden Vermögensbilanzen jeweils hälftig als Passivposition anzusetzen sei.

 

Rz. 252

Fällt der Unterhaltsanspruch später weg, kann nachträglich ein Gesamtschuldnerinnenausgleich nach § 426 BGB durchgeführt werden, was sich aus der paritätischen Einstellung der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit in die Zugewinnausgleichsbilanzen ergibt.

 

Rz. 253

Umgekehrt sei ein zunächst durchgeführter Zugewinnausgleich denkbar, bei welchem die gesamtschuldnerische Verbindlichkeit nur auf Seiten des wirtschaftlich stärkeren Ehegatten eingestellt worden sei, der diese im Außenverhältnis bedient. Durch die Berücksichtigung dort, hat er den damit einhergehenden Vorteil gegenüber dem anderen Ehegatten bereits gezogen und kann dann im Rahmen von nachfolgenden Unterhaltsberechnungen höchstens noch den Zinsanteil der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit einkommensmindernd ansetzen, denn sonst würde der grundsätzlich zugewinnausgleichs- und unterhaltsberechtigte Ehegatte über Gebühr, nämlich doppelt belastet, wofür es eine sachliche Rechtfertigung nicht gäbe.

 

Rz. 254

Die h.M. geht davon aus, dass eine zweifache Berücksichtigung gesamtschuldnerischer Verbindlichkeiten sowohl beim Zugewinnausgleich, als auch bei den Unterhaltsberechnungen nicht erfolgen soll, da es einen Grundsatz gebe, wonach die Berücksichtigung eines Vermögenswerts beim Zugewinnausgleich subsidiär sei, also bei bereits anderweitiger Kompensation dort nicht mehr stattfinde.[154]

Allerdings wirke sich die strukturelle Verschiedenheit der güterrechtlichen Ausgleichsmechanismen im Gegensatz zum Unterhalt aus:

 

Rz. 255

Im ehelichen Güterrecht werden alle vermögensrelevanten Positionen mit wirtschaftlichem Wert im Rahmen einer Gesamtschau ermittelt, bewertet und ausgeglichen, beim Unterhalt geht es um eine Bedarfsdeckung des anspruchsstellenden Ehegatten. Dies hat aber grundsätzlich nicht aus vorhandenem Vermögen, sondern aus laufen Einkünften zu erfolgen, wenn nicht die Ausnahmevorschriften der §§ 1577 Abs. 3, 1581 BGB vorliegen. Eine zweifache Berücksichtigung vorhandener Vermögenspositionen kann also nur dann problematisch werden, wenn ein Ehegatte dem anderen Unterhalt aus Geldmitteln gewähren muss, die aus vollständiger oder teilweiser Verwertung des Vermögensstammes herrühren.

 

Rz. 256

Wenn es um die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten, sowohl beim Zugewinnausgleich, als auch bei den Unterhaltsberechnungen geht, hat sich die Rechtsprechung bislang eher bedeckt gehalten, eine klare und eindeutige Aussage, die die Problematik strukturell klären würde, ist bislang – soweit ersichtlich – nicht getroffen worden.

 

Rz. 257

Der bereits zitierten Entscheidung lag eine Fallgestaltung zugrunde, in der ein Ehegatte allein für eine Verbindlichkeit im Innen- und Außenverhältnis haftete, also eine Gesamtschuld gerade nicht vorlag. Hier hatte der BGH kein Problem damit, diese Verbindlichkeit im Rahmen der Zugewinnausgleichsberechnungen auf Seiten des für diese Verbindlichkeit haftenden Ehegatten in vollem Umfang vermögensmindernd zu berücksichtigen, obwohl diese Schuld bereits zuvor in einem unterhaltsrechtlichen Verfahren im Rahmen einer dort vergleichsweise getroffenen Regelung eine wesentliche Rolle gespielt hatte, denn es sei im gerichtlichen Verfahren über die Durchführung des Zugewinnausgleichs nicht zu prüfen, welche Auswirkun...

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