Rz. 140

Die Gesamtschulden von Ehegatten spielen bei der Berechnung familiärer Unterhaltsansprüche sowohl der Ehegatten untereinander als auch für den Kindesunterhalt, eine nicht unerhebliche Rolle.

Wegen ihrer grundsätzlich unterschiedlichen Struktur und dogmatischen Einordnung verbietet sich allerdings von vornherein eine Generalisierung der den Gesamtschulden zuzuordnenden Relevanz bei den beiden vorgenannten Unterhaltstypen.

aa) Kindesunterhalt

 

Rz. 141

Wird eine gemeinsame Verbindlichkeit, für die gesamtschuldnerische Haftung besteht, im Rahmen von Kindesunterhaltsberechnungen berücksichtigt, so liegt hierin regelmäßig keine den Innenverhältnisausgleich gegenüber dem anderen Ehegatten ausschließenden "anderweitige Bestimmung" im Sinne von § 426 BGB, dies bereits deshalb, weil die gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten und deren Ausgleich nicht in einem deckungsgleichen Verhältnis von Anspruchsinhaber und Schuldner liegen, denn der Kindesunterhalt wird nicht vom betreuenden Elternteil, sondern nach §§ 1601 ff. BGB vom Kind selbst beansprucht, welches von den gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten nicht betroffen ist. Folglich bleibt es grundsätzlich uneingeschränkt beim Innenverhältnisausgleich nach § 426 BGB "nach Köpfen".[124]

[124] BGH NJW 2007, 3564; 2008, 849.

bb) Ehegattenunterhalt

 

Rz. 142

Anders ist dies beim Trennungsunterhalt und dem nachehelichen Ehegattenunterhalt.

Der Umstand, dass eine gesamtschuldnerische Verbindlichkeit einkommensmindernd beim Unterhaltspflichtigen und damit unterhaltsmindernd berücksichtigt wird, kann für die Ausgestaltung des Innenverhältnisses der Gesamtschuldner nicht ohne Bedeutung bleiben. Wenn im Rahmen der Festlegungen von Ehegattenunterhalt, sei es Trennungs- oder nachehelicher Unterhalt, die gesamtschuldnerische Verbindlichkeit vom Unterhaltspflichtigen als Abzugsposition eingestellt wird und dieser den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten als Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 1 S. 1 BGB nicht geltend macht, wird in der Regel durch konkludentes Verhalten eine "anderweitige Bestimmung" in diesem Sinne vorgenommen worden sein, mit der Folge, dass im Hinblick auf die durch den Abzug der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit verminderte Unterhaltspflicht gleichzeitig der Innenverhältnisausgleich nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen ist.

Dasselbe gilt, wenn ein Ehegatte stillschweigend allein die Verbindlichkeiten tilgt und der andere Ehegatte keine an sich bestehenden Unterhaltsansprüche geltend macht; auch hier ist ggf. durch konkludentes Verhalten "ein anderes bestimmt" im Sinne von § 426 BGB, sodass Ausgleichsansprüche ausgeschlossen sind. Solche leben natürlich wieder auf, wenn Unterhaltsansprüche fortan geltend gemacht werden.

 

Rz. 143

Sind gesamtschuldnerische Verbindlichkeiten bei getrennten bzw. geschiedenen Eheleuten vorhanden, von denen einer einen Ehegattenunterhaltsanspruch gegen den anderen geltend macht, so sind zwei Berechnungsmodelle denkbar. Entweder man stellt die gesamtschuldnerische Verbindlichkeit beim unterhaltspflichtigen Ehegatten mit ihrer monatlichen Gesamtbelastung als Abzugsposition im Rahmen der Ermittlung seines unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens ein und berechnet so den (verminderten) Ehegattenunterhalt des anderen, mit der gleichzeitigen Folge, dass nachträglich ein zivilrechtlicher Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB nicht mehr stattfindet oder man lässt die gesamtschuldnerische Verbindlichkeit bei den Unterhaltsberechnungen außen vor, errechnet so den sich nach den unterhaltsrechtlich relevanten Einkünften beider Ehegatten ergebenden Ehegattenunterhalt und vermindert den Unterhaltsbetrag des unterhaltsberechtigten Ehegatten dann um den nachträglich durchzuführenden Gesamtschuldnerausgleich.

(1) Unterhaltsberechnung unter Einbeziehung der Gesamtschuld

 

Rz. 144

 

Rechenbeispiel

Der Ehemann verdient ein unterhaltsrechtlich bereinigtes Nettoeinkommen von 2.500 EUR. Hiervon trägt er ein gemeinsam mit seiner Ehefrau aufgenommenes Darlehen in Höhe von mtl. 600 EUR. Die Ehefrau verfügt über ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen in Höhe von 800 EUR.

Unterhaltsberechnung:

Unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen Ehemann

 
Nettoeinkommen mtl. 2.500 EUR
abzgl. gemeinsame Darlehensverbindlichkeit ./. 600 EUR
ergibt 1.900 EUR

Unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen Ehefrau

 
Nettoeinkommen mtl. 800 EUR
Differenz 1.100 EUR
davon 3/7 = (gerundet) 471 EUR

Die Ehefrau erhält bei dieser Berechnungsweise also monatlich 471 EUR Ehegattenunterhalt und ein Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB findet nicht (mehr) statt.

(2) Unterhaltsberechnung ohne Berücksichtigung gesamtschuldnerischer Verbindlichkeiten und nachträgliche Durchführung des Gesamtschuldnerausgleichs

 

Rz. 145

 

Rechenbeispiel

Unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen Ehemann

 
Nettoeinkommen mtl. 2.500 EUR

Unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen Ehefrau

 
Nettoeinkommen mtl. 800 EUR
Differenz 1.700 EUR
davon 3/7 = (gerundet) 728 EUR
abzgl. zivilrechtlich parallel oder nachträglich durchzuführender Gesamtschuldnerausgleich (600 EUR : 2) = 300 EUR
ergibt 428 EUR

(3) Wirtschaftliche Betrachtung

 

Rz. 146

Man kann also generell festhalten, dass die Berücksichtigung gesamtschuldnerischer Verbindlichkeiten beim Ehegattenunterhalt selbigen also re...

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