Rz. 657

Von besonderer familienrechtlicher Bedeutung und deshalb hier von besonderem Interesse ist die Abgrenzung der Gemeinschaft nach Bruchteilen von der sogenannten Ehegatteninnengesellschaft.

Allgemein tritt bei der sogenannten Innengesellschaft im Rechtsverkehr nur ein Gesellschafter im eigenen Namen auf; er allein ist Träger von Rechten und Pflichten: So in einer in der gerichtlichen Praxis[420] häufig vorkommenden Fallkonstellation, in der eine Innengesellschaft der Treugeber eines treuhänderischen Kommanditisten einer Publikumsgesellschaft besteht. Im Innenverhältnis haben sich aber alle Gesellschafter zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks verpflichtet, es können im Innenverhältnis – von den Vertretungs- (§§ 714 f. BGB) und Vermögensvorschriften (§§ 718 ff. BGB) abgesehen – alle gesellschaftsrechtlichen Regelungen Anwendung finden: Geschäftsführungsregeln, Kontrollrechte,[421] Beitragspflicht, Gewinn- und Verlustbeteiligung etc.[422] Typischerweise bleibt der in eigenem Namen handelnde Gesellschafter Inhaber aller Rechte, so dass ein Gesamthandsvermögen mit Außenbeziehungen nicht entsteht.[423]

Bei der Auflösung der Innengesellschaft entstehen in der Regel Zahlungsansprüche gegen den Vermögenstreuhänder entsprechend § 235 HGB, §§ 738 ff. BGB, eine Liquidation entsprechend §§ 730 ff. BGB findet demgegenüber nicht statt.[424]

 

Rz. 658

 

Praxistipp

Grund und Zweck der von der Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur befürworteten Fiktion einer Ehegatteninnengesellschaft sind einzig die so eröffnete entsprechende Anwendung der §§ 738 ff. BGB im Falle der Trennung und Scheidung der Ehegatten.[425]

 

Rz. 659

Einzig Röthel[426] hat bisher darauf aufmerksam gemacht, dass entgegen bisheriger Einschätzung nicht der BGH[427] im Jahre 1952, sondern das OLG Hamburg erstmals – dem freilich das Reichsgericht dies im Jahre 1938 aufgegeben hatte – über gesellschaftsrechtliche Vergütungsansprüche einer Ehefrau wegen ihrer Mitarbeit in dem Röntgeninstitut ihres Mannes entscheiden musste.[428]

 

Rz. 660

Auch in der gemeinhin "als Geburtsstunde"[429] der sogenannten Ehegatteninnengesellschaft angesehenen Entscheidung des BGH[430] aus dem Jahre 1952 und im Anschluss daran in den Entscheidungen der folgenden zwei Jahrzehnte, ging es jeweils um den Ausgleich meist langjähriger Mitarbeit eines Ehegatten, die dieser im Beruf oder Unternehmen des anderen Ehegatten geleistet und hierdurch einen bleibenden Wertzuwachs des anderen Ehegatten jedenfalls mitbewirkt hat.[431] Die Frage des Ausgleichs stellte sich vornehmlich dann, wenn die Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung lebten und keinen Arbeitsvertrag schlossen, weil in einem solchen Fall kein Ausgleich durch das Güterrecht erfolgt. Sie stellte sich teilweise aber auch bei im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Ehegatten. Eine Ehegatteninnengesellschaft kommt nach der Rechtsprechung des BGH immer dann in Betracht, wenn Ehegatten durch beiderseitige Leistungen einen über den typischen Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zweck verfolgt haben, indem sie zum Beispiel durch den Einsatz von Vermögenswerten und Arbeitsleistungen gemeinsam ein Unternehmen oder Immobilienvermögen aufgebaut oder gemeinsam eine berufliche und gewerbliche Tätigkeit ausgeübt haben.[432]

 

Rz. 661

Dabei ist zu konstatieren, dass das Gericht im Verlauf der zurückliegenden 60 Jahre die Voraussetzungen für die Annahme einer Innengesellschaft subjektiver gefasst und insgesamt gesenkt hat.[433] Zunächst hatte der BGH den Anwendungsbereich der Ehegatteninnengesellschaft noch dadurch eingeschränkt, dass er dem schon in früheren Entscheidungen[434] erwähnten Kriterium der gleichberechtigten Mitarbeit stärker gewichtet hat.[435] Fehlte es an einer gleichberechtigten Mitarbeit, hat er statt einer Innengesellschaft einen familienrechtlichen Vertrag besonderer Art fingiert, dessen Rückabwicklung sich nach Scheitern der Ehe nach den Grundsätzen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage richtet.[436]

 

Rz. 662

Eine Zäsur stellt die richtungsweisende Entscheidung vom 30.6.1999 dar: Hiernach kommt es statt der "vollständigen Berücksichtigung" der beiderseitigen Belange[437] "maßgeblich darauf an, welche Zielvorstellungen die Ehegatten mit der Vermögensbildung verfolgen, insbesondere ob ihrem Tun die Vorstellung zugrunde liegt, dass das gemeinsam geschaffene Vermögen wirtschaftlich betrachtet nicht nur dem formal berechtigten, sondern auch dem anderen Ehegatten zustehen soll".[438] Ob eine solche Vorstellung zugrunde liegt, hängt damit von der jeweiligen Vorstellung des Gerichts ab – also von dessen ex post Betrachtung und damit davon, ob das Gericht einen Ausgleich als "gerecht" ansieht oder nicht. Der Fiktion ist so Tür und Tor geöffnet, Rechtssicherheit nicht möglich. Zudem erweitert der Senat den bisherigen Anwendungsbereich der Ehegatteninnengesellschaft indem zwei bisher vorgenommene Einschränkungen aufgegeben werden: Zunächst kommt eine Innengesellschaft seit der Entscheidung vom 30.6.199...

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