Rz. 101

Ein Ehegatte ist lediglich Mithaftender, wenn er den Vertrag nicht als gleichberechtigter Darlehensnehmer geschlossen hat.

Entstehen kann die Mithaftung durch Bürgschaft, durch lediglich Mitunterzeichnung des Vertrages und durch späteren Schuldbeitritt.

Ist der Kredit nur für Zwecke des anderen Ehegatten aufgenommen worden, liegt eine Bürgschaft nach § 765 BGB vor oder ist für den anderen Ehegatten eine Mithaftung übernommen worden, so richtet sich das Innenverhältnis zwischen den Ehegatten regelmäßig nach Auftragsrecht gemäß § 662 BGB und im Außenverhältnis kann Sittenwidrigkeit vorliegen, insbesondere dann, wenn die Mithaftung des Ehegatten wirtschaftlich an dessen erheblicher finanzieller Überforderung scheitert.

Gewerbliche Kreditgeber verlangen die Mithaftung des Ehegatten oftmals automatisch, sodass dieser Punkt stets zu prüfen ist. Allerdings ist im Rahmen der Sittenwidrigkeitsprüfung dem Kreditgläubiger das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nachzuweisen. Er muss also insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mithaftenden gekannt haben, wobei ein grob fahrlässiges "Sich Verschließen" gegenüber solchen Tatsachen der tatsächlichen Kenntnis gleichsteht.

(1) Finanzielle Überforderung; Leistungsfähigkeit des "Mithaftenden"

 

Rz. 102

Sind die mithaftungsrelevanten Verbindlichkeiten nicht nur ganz geringfügig und reicht der für die daraus resultierenden Zinsen zur Verfügung stehende pfändungsfreie Teil der regelmäßigen Einnahmen des Mithaftenden für deren laufende Begleichung auch unter Berücksichtigung seines sonstigen freien Vermögens nicht aus, liegt eine übermäßige finanzielle Überforderung im Sinne der Sittenwidrigkeit der Mithaftungsübernahme regelmäßig vor.[87] Bei der Beurteilung ist nur auf das Einkommen jedes einzelnen Ehegatten, nicht auf das gemeinsame Einkommen der Eheleute abzustellen.[88]

 

Rz. 103

Eine nicht zu vernachlässigende Rolle im Rahmen der Prüfung spielen aber auch die vom Kreditnehmer selbst gestellten weiteren Sicherheiten, insbesondere solche dinglicher Art, wenn diese dazu führen, dass die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Mithaftenden wesentlich und damit auf ein vertretbares Maß eingeschränkt werden.

Die Wirksamkeit der Mithaftung trotz an sich gegebener finanzieller Überforderung, bezogen auf die ganze Schuld kann sich dann ausnahmsweise doch ergeben, wenn im Hinblick auf die Gesamtsicherheitsstellung durch den Hauptschuldner für den Mithaftenden (nur) zu einer Ersatzhaftung führt, die nicht von den Regelungen über die Sittenwidrigkeit erfasst wird, da diese sich im Rahmen der tatsächlich gegebenen Leistungsfähigkeit des Mithaftenden hält. Allerdings ist hierfür zwingend erforderlich, dass nach den schuldrechtlichen Vereinbarungen der Gläubiger zuerst auf diese Sicherheiten und ihre Verwertung zurückgreifen muss, bevor die so eingeschränkte Haftung des Bürgen/Mithaftenden zum Tragen kommt.[89]

Eine Bürgschaft, die die Einrede der Vorausklage also entgegen der weit verbreiteten Praxis der Banken, wonach Bürgschaften generell als "selbstschuldnerisch" abgeschlossen werden gemäß § 771 BGB gerade nicht ausschließt, sondern dieses Recht dem Bürgen belässt, kann also auch bei einem an sich finanziell überforderten Bürgen/Ehegatten wirksam sein/bleiben.

Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, nicht auf einen früheren oder späteren Zeitpunkt. Eine sich bereits zu diesem Zeitpunkt aber als sicher darstellende Entwicklung als Zukunftsprognose kann herangezogen werden.[90]

Ggf. auf Immobilienvermögen lastende dinglich gesicherte Verbindlichkeiten sind mit ihrem Wert im Zeitpunkt der Eingehung der Verbindlichkeit leistungsfähigkeitsmindernd zu berücksichtigen.[91]

(2) Persönliche Nähe zum Hauptschuldner

 

Rz. 104

Wenn anhand vorstehender Prüfungspunkte das Übermaß der finanziellen Inanspruchnahme festgestellt ist, ergibt sich daraus bereits ohne weiteres die – allerdings widerlegliche – Vermutung, der mit dem Hauptschuldner aufgrund persönlicher oder familiärer Beziehung eng verbundene Mithaftende habe die Verbindlichkeit allein aus diesem Grund und nicht aus eigenen persönlichen Motiven heraus übernommen und diese Gemengelage ist durch den Gläubiger in verwerflicher Weise für die entsprechende Vertragskonstruktion dahingehend instrumentalisiert worden, dass der Bürge/Mithaftende nicht selbst, sondern fremdbestimmt seinen Willen gebildet hat. Diese emotionale Verbundenheit ist entscheidend.

 

Rz. 105

Die Darlegungs- und Beweislast für einen doch selbstbestimmten Entschluss im Hinblick auf die Übernahme der Mithaftung für "fremde" Verbindlichkeiten liegt vollumfänglich beim Gläubiger, der den nach allgemeiner Lebenserfahrung als gegeben unterstellten Umstand, wonach Grundlage für die Übernahme der Bürgschaft/Mithaftung nicht eigene Interessen und Vernunftsüberlegungen bzgl. finanzieller Risiken das Leitmotiv gewesen sind, sondern ausschließlich die solche vollständi...

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