Rz. 147

Haben die Ehegatten im Hinblick auf die Tilgung von gemeinsamen Verbindlichkeiten, für die sie gesamtschuldnerisch haften "etwas anderes bestimmt", ist ein Ausgleichsanspruch für den, den Gläubiger befriedigenden Gesamtschuldner gegen den anderen Ehegatten als Gesamtschuldner im Hinblick auf die "Kopfquote" nicht gegeben. Wie bereits ausgeführt, kann eine solche "anderweitige Bestimmung" ausdrücklich oder stillschweigend vorgenommen werden, sich aus der Natur der Sache oder dem Gehalt des Rechtsverhältnisses sowie dessen Zweckrichtung, also aus der individuellen Prägung des Faktischen ergeben.[125]

 

Rz. 148

Von einer solchen "anderweitigen Bestimmung" ist grundsätzlich auszugehen, wenn die gesamtschuldnerische Verbindlichkeit bei den Unterhaltsberechnungen auf Seiten des Unterhaltspflichtigen bereits einkommensmindernd berücksichtigt wurde und entsprechend der Unterhaltsanspruch des unterhaltsberechtigten Ehegatten sich nur in geringerer Höhe ergibt; ein Gesamtschuldnerausgleich ist dann nachträglich zivilrechtlich nicht (mehr) durchzuführen, jedenfalls nicht in vollem Umfang.

 

Rz. 149

Ausgehend davon, dass die Verbindlichkeit, für die beide Ehegatten gesamtschuldnerisch haften stets eheprägend sein wird, kann man dem Begehr des Unterhaltschuldners, diese aus seinem Einkommen zu tilgen und sie dann entsprechend als Abzugsposten bei der Ermittlung seines unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens einzubeziehen, nichts ernsthaftes entgegensetzen. Die daraus automatisch resultierende rechnerische Folge eines gekürzten Ehegattenunterhalts geht einher mit dessen wirtschaftlich tatsächlich gegebener Beteiligung an der Gesamtschuld. Zumindest in Höhe dieser mittelbaren Beteiligung ist ein nachträglicher Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB ausgeschlossen oder jedenfalls beschränkt auf die "Gesamtschuldnerausgleichsspitze", d.h., die Differenz zwischen dem Betrag, der sich bei Unterhaltsberechnung unter Einbeziehung der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit auf Seiten des Unterhaltspflichtigen ergibt und demjenigen Betrag, der dem Unterhaltsberechtigten verbleibt, wenn man zunächst seinen Unterhalt berechnet ohne Einbeziehung der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit und den sich so ergebenden (höheren) Ehegattenunterhalt dann durch einen nachträglich durchgeführten Gesamtschuldnerausgleich vermindert.

 

Rz. 150

Denkbar sind auch Fälle, in denen beispielsweise bei einer gegenüber der Familie des Unterhaltsberechtigten bestehenden Verbindlichkeit dieser und nicht der Unterhaltsverpflichtete die gesamtschuldnerische Verbindlichkeit abträgt. Dann mindert sich sein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen diese monatliche Belastung und entsprechend ist der Unterhaltsanspruch gegenüber dem unterhaltsverpflichteten Ehegatten höher und dieser wird auf diese Weise dann ebenfalls mittelbar am Gesamtschuldnerausgleich beteiligt.

 

Rz. 151

Übersehen werden darf aber nicht, dass es beim Gesamtschuldnerausgleich verbleibt, wenn die gesamtschuldnerische Verbindlichkeit auf die Unterhaltsberechnungen gar keine Auswirkungen hat, beispielsweise dann, wenn eine Bedürftigkeit des anderen Ehegatten gar nicht gegeben ist oder Unterhaltsansprüche an der fehlenden Leistungsfähigkeit scheitern.[126]

Dasselbe gilt für Fallgestaltungen, in welchen in der Vergangenheit ein Unterhaltsanspruch bestanden hat, dieser aber später wieder wegfällt, sei es durch Hinzukommen weiterer, bei Trennung/Scheidung noch nicht vorhandener Einkünfte, Ablauf einer zeitlichen Befristung von nachehelichem Unterhalt, Eingehung einer neuen Ehe etc.

 

Rz. 152

Mit Wirkung "ex nunc" lebt dann ein Gesamtschuldnerausgleich wieder auf, bezogen auf die dann noch vorhandenen gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten; Auswirkungen auf vergangene Zeiträume hat eine solche Veränderung aber nicht mehr.

[126] OLG Düsseldorf FamRZ, 2009, 1835.

(1) Außergerichtliche Regelung

 

Rz. 153

Für die Praxis empfiehlt es sich – wie stets – den Ausschluss des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 BGB im Rahmen einer außergerichtlichen Regelung zum Ehegattentrennungs- und/oder nachehelichen Ehegattenunterhalt explizit in Schriftform zu dokumentieren, was spätere Auslegungsstreitigkeiten zur "anderweitigen Bestimmung" im Sinne von § 426 BGB vermeidet. Bereits bei Festlegung von Höhe und Dauer des Ehegattenunterhaltsanspruchs sollte insbesondere auch die Frage geklärt werden, ob die "Gesamtschuldnerausgleichsspitze" im Hinblick auf die nicht deckungsgleichen Ergebnisse bei den beiden unterschiedlichen Berechnungen vom Unterhaltsschuldner gegen den Unterhaltsberechtigten noch geltend gemacht werden kann oder ob der Gesamtschuldnerausgleichsanspruch bei Einstellung der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit beim Unterhaltsschuldner als Abzugsposition vollständig ausgeschlossen sein soll.

 

Rz. 154

Eine solche ausdrückliche Vereinbarung empfiehlt sich insbesondere in Fällen, in denen gesamtschuldnerische Verbindlichkeiten vorhanden sind und von einem Ehegatten allein getragen werden, ohne dass dieser zeitnah den A...

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