Rz. 319

Im Falle eines Oder-Kontos ist jeder Ehepartner ohne Mitwirkung des anderen zu Kontoverfügungen berechtigt. Es besteht somit eine vom anderen Kontoinhaber unabhängige Rechtsstellung. Anders als beim Und-Konto steht beiden Ehegatten als Gesamtgläubiger jeweils allein ein eigenes Forderungsrecht gegenüber der Bank zu.

 

Rz. 320

Trotz des eigenen Forderungsrechts jedes Ehepartners gegen die Bank, darf die Bank aber nicht nach ihrem Belieben an jeden der Kontoinhaber leisten, sondern nur an den, der als erster die Zahlung an sich verlangt hat. Anders als es § 428 BGB vorsieht, ist die Bank in der Wahl des Gläubigers nicht frei.[165] Ein Kreditinstitut kann nicht wählen, an wen es leistet, wenn es hierzu aufgefordert wurde, sondern muss an denjenigen leisten, der das Verlangen an es richtet. Durch die Erfüllung dieses Verlangens geht das Forderungsrecht des anderen Gläubigers automatisch unter (§§ 428, 362 BGB).[166] Demnach ist das in § 428 BGB dem Schuldner eingeräumte "Belieben" bei der Konto- und Depotführung von Kreditinstituten abbedungen, um für jeden Kontoinhaber eine echtes eigenes Forderungsrecht begründen zu können.[167]

 

Rz. 321

 

Praxistipp

Ehegatten als Kontoinhaber eines Oder-Kontos haben im Außenverhältnis nicht das Recht, auf das Forderungsrecht des jeweils anderen Kontoinhabers unmittelbar einzuwirken. Darin besteht die große Gefahr eines Oder-Kontos gerade kurz vor oder nach der Trennung der Ehepartner. Im äußersten Fall muss das Kreditinstitut darauf abstellen, mit welchem Forderungsverlangen es sich als erstes befasst hat, welches also als erstes bei ihm eingegangen ist. Dies birgt die Gefahr, dass die Eheleute nach der Trennung versuchen könnten, vor dem jeweils anderen auf das Gemeinschaftskonto Zugriff zu nehmen. Hierauf ist der Mandant hinzuweisen, um ggf. geeignete Maßnahmen abzustimmen, so z.B. auf die Umwandlung des Oder-Kontos in ein Und-Konto hinzuwirken.

 

Rz. 322

Ergänzend sind bei einem Oder-Konto neben den §§ 428 bis 430 BGB die Regeln der Bruchteilsgemeinschaft anzuwenden.

 

Rz. 323

 

Praxistipp

Bei Zwangsvollstreckungen in ein Oder-Konto genügt ein Titel gegen einen Kontoinhaber, um in das Konto vollstrecken zu können.

[165] Wever, Rn 720; LG Frankfurt NJW-RR 2004, 775 f.
[166] LG Frankfurt NJW-RR 2004, 775 f.
[167] LG Frankfurt NJW-RR 2004, 775 f.

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