Rz. 917

Als weiterer belastender Umstand muss zur krassen finanziellen Überforderung noch die emotionale Verbundenheit des Bürgen mit dem Hauptschuldner hinzutreten.

 

Rz. 918

In den Fällen der krassen finanziellen Überforderung besteht eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung, dass sich der Ehegatte bei der Übernahme der Mithaftung nicht von seinen Interessen und von einer rationalen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos hat leiten lassen und dass das Kreditinstitut die emotionale Beziehung zwischen Hauptschuldner und Mithaftenden in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat.

Dabei reicht der Erwerb bloßer mittelbarer Vorteile aus einem Betriebsmittelkredit des Hauptschuldners nicht aus, um die tatsächliche Vermutung einer unzulässigen Willensbeeinflussung zu widerlegen.[783] Verbürgt sich der finanziell krass überforderte Ehepartner für ein staatlich gefördertes Existenzgründungsdarlehen des anderen, genügt es zur Widerlegung der Vermutung eines Handelns aus emotionaler Verbundenheit nicht, dass der Bürge in dem künftigen Gewerbebetrieb an verantwortlicher Stelle mitarbeiten soll.[784]

Dies gilt auch dann, wenn die für Existenzgründungskredite des Ehemannes bürgende Ehefrau mehrere Kreditgespräche für ihren Ehemann allein geführt und auch sonst die kaufmännische Verantwortung für das von diesem betriebene Unternehmen getragen hat. Denn nach allgemeiner Lebenserfahrung gehen auch erfahrene und geschäftsgewandte Personen aus emotionaler Verbundenheit zu ihren Ehegatten Verbindlichkeiten ein, die sie finanziell krass überfordern.[785]

Deshalb wird die Vermutung auch nicht dadurch widerlegt, dass der mitverpflichtete Ehegatte den Umfang der Kreditverbindlichkeiten des Hauptschuldners und die damit verbundenen Risiken gekannt hat und von der Bank auf das Risiko einer Bürgschaft und die rechtlichen Auswirkungen der Bürgschaftsverpflichtung hingewiesen worden.[786]

Die von der finanziell überforderten Ehefrau bei einer Umschuldung auf Verlangen der Bank übernommene Mithaftung ist ohne Hinzutreten besonders belastender Umstände nicht sittenwidrig, wenn der ursprüngliche, dem Ehemann allein gewährte Kredit zum überwiegenden Teil für die Gründung des gemeinsamen Hausstandes und andere den gemeinsamen Interessen beider Ehepartner dienenden Anschaffungen verwandt wurde.[787]

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge