Rz. 681

Die ganz überwiegende Rechtsprechung gewährte bereits seit der Entscheidung des BGH vom 15.2.2006[472] dem Ehegatten, der die Ehewohnung zum Zwecke des Getrenntlebens verlassen hat, entsprechend § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB einen Anspruch auf Entrichtung einer Nutzungsvergütung, auch wenn die tatbestandlich erforderliche Nutzungsberechtigung und die korrespondierende Überlassungsverpflichtung fehlten.[473] Es wird in diesen Fällen von einem sogenannten "freiwilligen Auszug" gesprochen, bei dem die Vorschrift entsprechend anwendbar sei. Die Literatur[474] ist dem weitgehend gefolgt. Die hiernach ergangene, abweichende Entscheidung vom 4.8.2010[475] blieb, mit Ausnahme von Wever,[476] erstaunlicherweise unbeachtet. Der BGH hielt in dieser Entscheidung § 745 Abs. 2 BGB bei einem sogenannten "freiwilligen Auszug" ausdrücklich auch für die Zeit des Getrenntlebens der Ehegatten für anwendbar (obwohl das Familiengericht entsprechend der damaligen Rechtslage die Ehewohnung der Ehefrau für die Zeit des Getrenntlebens zugewiesen hatte und obwohl es in der konkreten Entscheidung um eine Nutzungsvergütung für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung ging), ohne auf das Konkurrenzverhältnis zu § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB einzugehen. Die Vorschrift wird nicht einmal erwähnt und dementsprechend ihr tatbestandliches Eingreifen nicht geprüft und ohne die Entscheidung aus dem Jahre 2006 auch nur zu erwähnen. Der BGH hat nunmehr in seiner jüngsten Entscheidung vom 18.12.2013[477] die Entscheidung aus dem Jahre 2006 bestätigt und eine "faktische Überlassung" der Ehewohnung ausreichen lassen, diesmal ohne auf seine Entscheidung aus dem Jahre 2010 einzugehen, ja ohne sie zu zitieren und, jetzt kaum mehr überraschend, wiederum ohne auf das Konkurrenzverhältnis zu § 745 Abs. 2 BGB einzugehen. Das tatbestandliche Eingreifen der Vorschrift wird nicht geprüft.[478] Es komme nicht mehr darauf an, ob der weichende Ehegatte die Ehewohnung freiwillig verlassen habe oder, ob er verpflichtet sei, sie dem anderen zur alleinigen Benutzung zu überlassen.

 

Rz. 682

Neben dem Argument, § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB setze im Gegensatz zu § 1361b Abs. 2 BGB a.F. keine Überlassungsverpflichtung voraus-obwohl diese gerade mit dem Erfordernis der erforderlichen Nutzungsberechtigung korrespondiert-wird als wesentliches Argument (freilich nicht vom BGH in seiner jüngsten Entscheidung), mit dem zugleich die behauptete Gesetzeslücke in Form einer Regelungslücke begründet wird,[479] angeführt, in den Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB vorliegen, entstehe, wenn man § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB nicht entsprechend anwende, ein Wertungswiderspruch: Verlasse in einem solchen Falle ein Miteigentümer die Wohnung, so stehe diesem im Ergebnis nach § 745 Abs. 2 BGB eine Nutzungsvergütung zu, der die Ehewohnung verlassende Alleineigentümer besitze jedoch mangels einer Anspruchsgrundlage keinen Anspruch auf Entrichtung einer Nutzungsvergütung.[480]

 

Rz. 683

Hier zeigt sich nun besonders deutlich die gesamte Widersprüchlichkeit der herrschenden Ansicht: weder dem ausgezogenen Miteigentümer noch dem ausgezogenen Alleineigentümer steht nämlich ein Anspruch auf Entrichtung einer Nutzungsvergütung nach den allgemeinen Vorschriften zu und zwar unabhängig davon, ob der ausgezogene Ehegatte binnen sechs Monaten nach dem Auszug seine Rückkehrabsicht bekundet hat oder nicht. Hat der ausgezogene Ehegatte innerhalb von sechs Monaten nach dem Auszug seiner Rückkehrabsicht dem anderen Ehegatten gegenüber nicht bekundet, schließt das gemäß §§ 1361b Abs. 4, 1353 Abs. 1 S. 2 Hs.1 BGB bestehende Recht des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten zum Alleinbesitz der Ehewohnung sämtliche weiteren möglichen Anspruchsgrundlagen bereits tatbestandlich aus.[481] Dem ausgezogenen Ehegatten stehen gleichfalls keine Ansprüche auf Entrichtung einer Nutzungsvergütung aufgrund der möglichen Anspruchsgrundlagen zu, wenn er innerhalb von sechs Monaten seine Rückkehrabsicht bekundet. Beiden Ehegatten steht dann nach wie vor gemäß § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs.1 BGB das Recht zum Mitbesitz der Ehewohnung zu.[482]

 

Rz. 684

 

Praxistipp

In der familiengerichtlichen Praxis ist freilich die Entscheidung des BGH vom 18.12.2013[483] zugrunde zu legen.

 

Rz. 685

In dem Zeitraum des Getrenntlebens der Ehegatten verbleibt-dies wird in der familiengerichtlichen Praxis noch immer häufig übersehen – nach dieser Entscheidung für § 745 Abs. 2 BGB für Ehewohnungen kein Anwendungsbereich mehr:[484]

Einmal sieht der BGH als Tatbestandsvoraussetzungen des § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB nur noch das Bestehen einer wirksamen Ehe, das Getrenntleben der Ehegatten und ein entsprechendes Zahlungsverlangen des ausgezogenen Ehegatten an[485] (ein solches ist auch Voraussetzung des § 745 Abs. 2 BGB), dann steht dem Ehegatten, der die Ehewohnung verlassen hat, ein Anspruch auf Entrichtung einer Benutzungsvergütung zu- eine Nutzungsberechtigung des in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten nach § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB oder aufgrund einer Verei...

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