Rz. 107

Liegt eine persönliche Nähe zwischen Mithaftendem und Hauptschuldner vor und handelt der Mithaftende mit der Übernahme der Verbindlichkeit ruinös, so wird vermutet, dass der Gläubiger diese Situation in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat.[96]

Es ist auch hier Sache des Gläubigers, diese Vermutung zu widerlegen.

Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass er darlegt, die fehlende wirtschaftliche Potenz des Mithaftenden nicht gekannt zu haben, wofür beispielsweise eine unklare Selbstauskunft des Mithaftenden eine wesentliche Rolle spielen kann.

Häufig verteidigt sich der Gläubiger damit, er habe eine Mehrheit von Mithaftenden im Rahmen emotionaler Verbände gerieren wollen, um Nachteile durch Verkleinerung der ihm zur Verfügung stehenden Haftungsmasse durch Vermögenstransfers innerhalb von Familien zu vermeiden. Hierbei muss er aber vollumfänglich darlegen und beweisen, dass für solche verwerflichen Absichten im "Schuldnerlager" bereits bei Vertragsschluss Anhaltspunkte vorgelegen haben. Ohne solche ist die Annahme gerade dieser Zielrichtung für die Verpflichtung finanziell überforderter Mithaftender nicht gegeben.

Möglich ist für die Gläubiger aber die Aufnahme einer Vertragsbestimmung in der Vereinbarung zur Mithaftungsübernahme, dass eine Mithaftungsverpflichtung nur insoweit entsteht, als es zwischen Hauptschuldner und Mithaftendem zu solchen Vermögenstransfers kommt.[97]

 

Rz. 108

Um dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit und damit der Unwirksamkeit der Mithaftungsverpflichtung zu entgehen, bedarf es aber einer zweifelsfreien Feststellung des so vereinbarten Zwecks der Vereinbarung.

Gleiches gilt im Übrigen für Fälle, in denen die Schaffung einer vertraglichen Mithaftung mit der konkreten Aussicht auf zukünftigen Vermögenserwerb, beispielsweise Verfügung von Todeswegen, Schenkung oder Erbschaft unterlegt wird.

Zu beachten sind außerdem die allgemeinen Grundsätze zur "Übersicherung"; wenn also wirksam ein bestimmter Haftungszweck vereinbart ist, kann sich die Sittenwidrigkeit immer noch daraus ergeben, dass die Höhe bzw. der Umfang eingeräumter Sicherheiten in keinem realistischen Verhältnis zum Sicherungsinteresse des Gläubigers steht.

Neben diesem "gesunden" Verhältnis ist also zwingende Voraussetzung, dass ein etwaiger "begrenzter Haftungszweck" beispielsweise die Vorsorge vor befürchteten Vermögenstransfers im Vertrag selbst explizit zum Ausdruck kommen muss.

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