a) Rechtsformen der Gläubigermehrheit und Abgrenzung

 

Rz. 715

Es müssen als Rechtsformen der Gläubigermehrheit Teilforderungen, gemeinschaftliche Forderungen und Gesamtforderungen unterschieden werden.[544]

[544] Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, Allgemeiner Teil, 14. Aufl. 1987, § 36, I., S. 620 ff.; Palandt/Grüneberg, Überbl. v. § 420 Rn 1 ff.; siehe auch weiter differenzierend Jauernig/Stürner, Vor § 420 Rn 2.

b) Teilforderungen

 

Rz. 716

Bei der Teilgläubigerschaft ist die Forderung "real" geteilt, wenn auch naturgemäß nur summenmäßig.[545] Das ist in den Fällen gegeben, in denen das Recht auf die gesamte Leistung – um eine solche musste es sich immerhin handeln[546] – in mehrere voneinander unabhängige Forderungsrechte auf je einen Teil der Leistung zerfällt.[547] Es liegen dann kein einheitliches Schuldverhältnis und daher auch keine gemeinschaftliche Berechtigung vor. Zu denken ist hier beispielsweise an den Fall,[548] in dem sich A und B gemeinsam einen Waggon Kohlen bestellten und mit dem Lieferanten vereinbart haben, dass jeder die Hälfte bekommen solle wie auch an den Fall einer Heizölsammelbestellung;[549] so auch, wenn im Unterhaltsvergleich der mehreren Gläubigern zu leistende Unterhalt in einer Summe ausgedrückt wird.[550] Nach der Regel des § 420 BGB, die freilich zahlreiche Ausnahmen erleidet, weshalb sie tatsächlich nur verhältnismäßig selten eingreift, ist im Zweifel anzunehmen, dass dann, wenn mehrere eine teilbare Leistung zu fordern haben, "jeder Gläubiger nur zu einem gleichen Anteil berechtigt ist."

Das bedeutet, dass jeder vom Verkäufer die Lieferung der Hälfte einer Waggonladungskohlen verlangen und über diese seine Forderung, zum Beispiel durch Abtretung, Stundung, Erlass usw. selbstständig verfügen kann. Auch Forderungen, die mehreren zu bereits geteilten realen Bruchteilen zu stehen, begründen keine Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger im Sinne von § 741 BGB, weil ihnen die Forderungen nicht "gemeinschaftlich" zustehen. Hat A gegen X eine Forderung über 100.000 EUR und tritt er eine Teilforderung in Höhe von 20.000 EUR an B ab, eine weitere Teilforderung in Höhe von 30.000 an C ab, so bilden A, B und C keine Bruchteilsgemeinschaft. Sie haben nicht gemeinschaftlich eine Forderung über 100.000 EUR inne, sondern A hat allein eine Forderung über 50.000 EUR, B allein eine Forderung über 20.000 EUR und C allein eine Forderung über 30.000 EUR.[551]

[545] MüKo-BGB/Bydlinski, § 420 Rn 4.
[546] MüKo-BGB/Bydlinski, § 420 Rn 4.
[547] Jauernig/Stürner, § 420 Rn 1.
[548] Beispiel nach Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, Allgemeiner Teil, 14. Aufl. 1987, § 36, I., S. 620 f.
[549] LG Augsburg NJW-RR 2004, 852.
[550] KG OLGZ 71, 386.
[551] Beispiel nach MüKo-BGB/K. Schmidt, § 741 Rn 47.

c) Gemeinschaftliche Forderungen

 

Rz. 717

Gemeinschaftliche Forderungen sind solche, die ungeteilt mehreren in der Weise gemeinschaftlich zustehen, dass nur alle zusammen die Leistung erhalten sollen. Nicht notwendig ist, dass nur alle zusammen die Forderung geltend machen können.[552] In einer Reihe von Fällen kann jeder der Mitgläubiger allein die allen zustehende Forderung geltend machen, d.h. Leistung an alle fordern. Die Gemeinschaftlichkeit der Forderung bedeutet also, dass sie mehreren Gläubigern zusammen und nicht jedem zu einem Teile zusteht, dass nur alle zusammen empfangszuständig sind und über die Forderung verfügen können. Es ist allerdings möglich, dass jeder über seinen Anteil an der Forderung, d.h. über seine Mitberechtigung, verfügen kann. Ob das der Fall ist, hängt von dem Entstehungsgrund der Forderung ab.[553]

 

Rz. 718

Die gemeinschaftliche Zuständigkeit einer Forderung, die mit Larenz[554] als "Mitgläubigerschaft" bezeichnet werden soll, kann darauf beruhen, dass diese Forderung nach ihrer Entstehung zu einem Sondervermögen gehört, das mehreren gemeinschaftlich zur gesamten Hand zusteht. Die mehreren gemeinschaftlich zuständigen Gläubiger sind in diesem Fall "Gesamthandsgläubiger". Gesamthandsforderungen sind zum Beispiel Forderungen der Gesellschafter aus Rechtsgeschäften, die sich auf das Gesellschaftsvermögen beziehen, oder auf Ersatz für die Zerstörung oder Beschädigung eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstands, § 718 BGB. Die erforderliche Abgrenzung zur Forderungsgemeinschaft zu Bruchteilen erfolgt nach oben (siehe Rn 654 ff.) dargestellten Abgrenzung zwischen Gemeinschaft und Gesamthand.

 

Rz. 719

Die gemeinschaftliche Zuständigkeit einer Forderung kann auch darauf beruhen, dass sich das Schuldverhältnis, dem sie entstammt, auf einen Gegenstand bezieht, der mehreren nach Bruchteilen gemeinschaftlich zusteht.[555] Die gemeinschaftliche Zuständigkeit der Forderung ergibt sich hier, auch dann, wenn die Leistung teilbar ist, daraus, dass die Verfügung über die Forderung, ihre Einziehung und die Verwendung der Leistung zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes gehört, die allen gemeinschaftlich zukommt, § 744 BGB. Die mehreren Gläubiger, die sogenannten Mitgläubiger, stehen in einer "einfachen Forderungsgemeinschaft".[556]

 

Rz. 720

 

Hinweis

Haben mehrere Miteigentümer eines Hauses...

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