Rz. 877

Die rechtliche Abgrenzung der übernommenen Mitverpflichtung als eigene Darlehensschuld von der reinen Mithaftung hängt davon ab, ob ein Ehegatte nach dem maßgeblichen Willen der Beteiligten als gleichberechtigter Vertragspartner neben dem anderen Ehegatten einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta hat und im Gegenzug gleichermaßen zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet ist (Mitdarlehensnehmerschaft), oder aber ausschließlich zu Sicherungszwecken mithaftet und damit eine einseitig belastende Verpflichtung übernommen hat (Mithaftungsübernahme).[727] Echter Mitdarlehensnehmer ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur, wer ein eigenes – sachliches und/oder persönliches – Interesse an der Kreditaufnahme hat und als im Wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung sowie die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf.[728]

 

Rz. 878

Ein Ehegatte hat an dem Erwerb einer Immobilie durch den anderen Ehegatten kein eigenes sachliches und/oder persönliches Interesse. Der Umstand, dass die zu finanzierende Immobilie von den Eheleuten und deren Kindern bewohnt werden soll, stellt nur einen regelmäßig nicht einmal zuverlässig feststellbaren und häufig nur flüchtigen mittelbaren Vorteil aus der Kreditaufnahme dar. Ein lediglich mittelbarer Vorteil aus der Kreditaufnahme reicht für die Qualifizierung einer Vertragspartei als echten Mitdarlehensnehmer grundsätzlich nicht aus.[729] Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn der auf dem Immobilienerwerb beruhende Vermögenszuwachs des geschiedenen Ehegatten – wenn auch nur indirekt – Einfluss auf einen dem anderen Ehegatten gegebenenfalls zustehenden Zugewinnausgleich haben sollte.[730]

 

Rz. 879

Maßgebend für die Abgrenzung ist die von den Vertragsparteien tatsächlich gewollte Rechtsfolge. Die Privatautonomie schließt – in den Grenzen der §§ 134 und 138 BGB – die Freiheit der Wahl der Rechtsfolgen und damit des vereinbarten Vertragstyps ein, umfasst allerdings nicht die Freiheit zu dessen beliebiger rechtlicher Qualifikation.[731] Die kreditgebende Bank hat es nicht in der Hand, durch eine im Darlehensvertrag einseitig gewählte Formulierung wie "Mitdarlehensnehmer","Mitantragsteller""Mitschuldner"oder dergleichen einen materiellrechtlich bloß Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den weitreichenden Nichtigkeitsfolgen des § 138 Abs. 1 BGB zu entgehen.[732] Zu den bei der Ermittlung des wirklichen Parteiwillens zu beachtenden Auslegungsgrundsätzen gehören insbesondere die Maßgeblichkeit des Vertragswortlauts als Ausgangspunkt jeder Auslegung und die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner.[733]

 

Rz. 880

Die kreditgebende Bank muss grundsätzlich darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen für eine echte Mitdarlehensnehmerschaft vorliegen. Spricht hierfür der Wortlaut des vorformulierten Darlehensvertrages, hat der Schuldner nach den Regeln über die sekundäre Darlegungslast darzulegen, dass er nicht das für eine Mitdarlehensnehmerschaft notwendige Eigeninteresse an der Kreditaufnahme besaß.[734]

 

Rz. 881

Die Vorschriften über Verbraucherdarlehensverträge gem. §§ 491 ff. BGB finden bei der Mitdarlehensnehmerschaft uneingeschränkt Anwendung. Hierbei ist jedoch die Rechtsbeziehung zwischen dem Unternehmer als Darlehensgeber und den Darlehensnehmern jeweils getrennt zu prüfen.[735] Die Schriftform gem. § 492 BGB ist zu beachten.

 

Rz. 882

Die schuldnerschützenden Normen über Haustürgeschäfte gem. §§ 312, 312a und 312f BGB oder über Fernabsatzverträge gem. §§ 312b ff. BGB sind ebenfalls anwendbar.

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