Rz. 102

Sind die mithaftungsrelevanten Verbindlichkeiten nicht nur ganz geringfügig und reicht der für die daraus resultierenden Zinsen zur Verfügung stehende pfändungsfreie Teil der regelmäßigen Einnahmen des Mithaftenden für deren laufende Begleichung auch unter Berücksichtigung seines sonstigen freien Vermögens nicht aus, liegt eine übermäßige finanzielle Überforderung im Sinne der Sittenwidrigkeit der Mithaftungsübernahme regelmäßig vor.[87] Bei der Beurteilung ist nur auf das Einkommen jedes einzelnen Ehegatten, nicht auf das gemeinsame Einkommen der Eheleute abzustellen.[88]

 

Rz. 103

Eine nicht zu vernachlässigende Rolle im Rahmen der Prüfung spielen aber auch die vom Kreditnehmer selbst gestellten weiteren Sicherheiten, insbesondere solche dinglicher Art, wenn diese dazu führen, dass die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Mithaftenden wesentlich und damit auf ein vertretbares Maß eingeschränkt werden.

Die Wirksamkeit der Mithaftung trotz an sich gegebener finanzieller Überforderung, bezogen auf die ganze Schuld kann sich dann ausnahmsweise doch ergeben, wenn im Hinblick auf die Gesamtsicherheitsstellung durch den Hauptschuldner für den Mithaftenden (nur) zu einer Ersatzhaftung führt, die nicht von den Regelungen über die Sittenwidrigkeit erfasst wird, da diese sich im Rahmen der tatsächlich gegebenen Leistungsfähigkeit des Mithaftenden hält. Allerdings ist hierfür zwingend erforderlich, dass nach den schuldrechtlichen Vereinbarungen der Gläubiger zuerst auf diese Sicherheiten und ihre Verwertung zurückgreifen muss, bevor die so eingeschränkte Haftung des Bürgen/Mithaftenden zum Tragen kommt.[89]

Eine Bürgschaft, die die Einrede der Vorausklage also entgegen der weit verbreiteten Praxis der Banken, wonach Bürgschaften generell als "selbstschuldnerisch" abgeschlossen werden gemäß § 771 BGB gerade nicht ausschließt, sondern dieses Recht dem Bürgen belässt, kann also auch bei einem an sich finanziell überforderten Bürgen/Ehegatten wirksam sein/bleiben.

Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, nicht auf einen früheren oder späteren Zeitpunkt. Eine sich bereits zu diesem Zeitpunkt aber als sicher darstellende Entwicklung als Zukunftsprognose kann herangezogen werden.[90]

Ggf. auf Immobilienvermögen lastende dinglich gesicherte Verbindlichkeiten sind mit ihrem Wert im Zeitpunkt der Eingehung der Verbindlichkeit leistungsfähigkeitsmindernd zu berücksichtigen.[91]

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