Rz. 540

Zahlreiche Steuerbescheide sind anfechtbar oder sogar nichtig. Der Nachlasspfleger hat dementsprechend als gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben die Richtigkeit sämtlicher an ihn gerichteter Steuerbescheide zu prüfen, um im Interesse der Erben gegebenenfalls deren Änderung zu beantragen (§§ 129–131, 164, 165, 172–177 AO) oder Rechtsmittel (§§ 347 ff. AO, §§ 40 ff. FGO) einzulegen.[411]

 

Rz. 541

Im Rahmen der Erbschaftsteuerveranlagung für die unbekannten Erben hat eine außerordentlich sorgfältige Prüfung der sogenannten Grundlagenbescheide (z.B. Feststellung der Grundbesitzwerte und Unternehmenswerte) zu erfolgen. Im Gegensatz zum Erbschaftsteuerbescheid, dessen Festsetzungsfrist erst mit Kenntnis der später ermittelten Erben beginnt, greift für die Grundlagenbescheide diese Anlaufhemmung nicht, so dass nach Eintritt der Festsetzungsverjährung (siehe Rdn 558 ff.) Korrekturen grundsätzlich ausgeschlossen sind.

 

Rz. 542

Wird ein Fehler erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist erkannt und scheidet eine Steuerbescheidkorrektur auch mangels der Anwendbarkeit von Berichtigungsvorschriften aus, trifft den Nachlasspfleger unter Umständen eine Schadensersatzpflicht.

 

Rz. 543

 

Praxishinweis

Zur Vermeidung von Streitigkeiten mit dem Finanzamt über die Anwendbarkeit einer Berichtigungsvorschrift kann es sich empfehlen, bereits bei Abgabe der entsprechenden Steuererklärungen darauf hinzuwirken, dass die Steuerbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) oder vorläufig (§ 165 AO) erlassen werden. Auf eine vorläufige Steuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 S. 1 AO sollte insbesondere bei der Erbschaftsteuerveranlagung hingewirkt werden, wenn ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer eingetreten sind.[412]

 

Rz. 544

Hat der Nachlasspfleger als Vertreter der unbekannten Erben[413] gegen einen Steuerbescheid rechtzeitig[414] Einspruch (§§ 347 ff. AO) eingelegt, gilt zu beachten, dass dadurch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes grundsätzlich nicht gehemmt wird (§ 361 Abs. 1 AO). Die eventuell fehlerhaft zu hoch festgesetzte Steuer ist also weiterhin zu zahlen. Der Nachlasspfleger muss dann prüfen, ob er einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellt (§ 361 Abs. 2 AO). Hierbei sind die Erfolgsaussichten des Einspruchs, die Liquidität des Nachlasses und eine mögliche Verzinsung im Falle des Unterliegens (§ 237 AO) abzuwägen.

 

Rz. 545

Nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft wird es wohl zu den Pflichten des Nachlasspflegers gehören, die Erben auf laufende Rechtsmittelfristen hinzuweisen.

[411] Zur verfahrensrechtlichen Stellung des Nachlasspflegers vgl. BFH v. 21.12.2004 – II B 110/04, BFH/NV 2005, 704.
[412] Vgl. dazu Volquardsen, in: Daragan/Halaczinsky/Riedel, Praxiskommentar ErbStG und BewG, § 32 ErbStG Rn 16, der unter Umständen eine Berichtigungsmöglichkeit nach § 173 AO verneint.
[413] Im eigenen Namen ist der Nachlasspfleger nicht rechtsmittelbefugt, vgl. BFH v. 21.12.2004, BFH/NV 2005, 704.
[414] Gemäß § 355 Abs. 1 S. 1 AO ist der Einspruch innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des Verwaltungsaktes (§ 122 AO) einzulegen.

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