Rz. 133

Eine etwaig bestehende Wohngebäudeversicherung endet nicht mit dem Tod des Erblassers. Der Nachlasspfleger sollte auf jeden Fall versuchen, eine Gebäudeversicherung fortzuführen, da im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung das versicherte Interesse fortbesteht. Wie bei der Hausratversicherung ist auch hier der Versicherer wegen der damit verbundenen eventuellen Gefahrerhöhung darauf hinzuweisen, dass die Immobilie nicht ständig bewohnt wird, ansonsten kann der Versicherer im Versicherungsfall nach § 26 VVG leistungsfrei sein. Bei einer hierauf möglichen Kündigung durch den Versicherer wird der Nachlasspfleger nach den Erfahrungen in der Praxis Schwierigkeiten haben, einen neuen Gebäudeversicherer für alle Risikoarten (Feuer, Leitungswasser, Sturm) zu finden. Zusätzlich können weitere Elementarschäden mitversichert werden.

 

Rz. 134

 

Praxistipp

Zur Meidung einer eventuellen Haftung im Schadensfall sollte in solchen Fällen zumindest die ergebnislose Beauftragung eines Versicherungsmaklers (Mehrfachagenten) dokumentiert werden.

Über den Berufsverband der Nachlasspfleger, den BDN e.V., werden spezielle Gebäudeversicherungen für Leerstandsimmobilien angeboten.

 

Rz. 135

Ein Dilemma ergibt sich für den Nachlasspfleger bei der Beheizung der Immobilie. Auf der einen Seite ist diese für die Gebäudeerhaltung erforderlich. Auf der anderen Seite ist der Nachlasspfleger nach § 11 Nr. 1 lit. c VGB 88, § 24 Nr. 1 lit. c VGB 2000 und Abschnitt A § 16 Nr. 1 lit. b VGB 2008 verpflichtet, bei einer nicht genutzten (weitergehend noch § 9 Nr. 2 lit. b VGB 62: "nicht benutzten") Immobilie sämtliche Wasserleitungen abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten. Der Nachlasspfleger kann sich also dafür entscheiden, die versicherungsrechtlichen Obliegenheiten zu erfüllen und dafür Feuchtigkeitsschäden am Gebäude in Kauf zu nehmen. Oder er beheizt die Immobilie und riskiert bei einem Leitungswasserschaden, dass sich der Versicherer wegen der Obliegenheitsverletzung nach § 28 VVG ganz oder teilweise auf seine Leistungsfreiheit beruft. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten ggf. die Obliegenheitsvorschriften selbst: Schon die Einlagerung von Sachen mit zumindest geringem Wert beinhaltet eine Form der Nutzung, selbst wenn das Gebäude nur selten betreten und "benutzt" wird.[154] Insofern sollte der Nachlasspfleger die Immobilie nicht (vollständig) räumen, sondern Nachlassgegenstände dort lagern.[155] Die Frage ist allerdings in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Insofern besteht für den Nachlasspfleger ein Haftungsrisiko.

 

Rz. 136

Muster 3.1: Fortführung der Wohngebäudeversicherung

 

Muster 3.1: Fortführung der Wohngebäudeversicherung

(...) Unter der o.g. Versicherungsnummer besteht eine Wohngebäudeversicherung. XY ist verstorben. Der Erblasser war Eigentümer der Immobilie. Bitte notieren Sie mich als zukünftigen Ansprechpartner und geben Sie mir fällige oder rückständige Prämien per Rechnung auf. Eventuelle Lastschriftermächtigungen widerrufe ich vorsorglich, da die Konten gesperrt sind und neu eingerichtet werden. Über einen eventuellen Eigentümerwechsel werde ich Sie unverzüglich informieren.

Meine Unterlagen sind unvollständig. Bitte senden Sie mir eine Kopie des Versicherungsscheins, des letzten Antrags und teilen Sie mir die Anzahl der Vorschäden der letzten fünf Jahre nach Datum, Art und Schadenshöhe je Schadensfall mit. Das Gebäude ist nicht bewohnt, wird aber für die Lagerung von Nachlassgegenständen genutzt. Das Objekt wird beheizt und regelmäßig kontrolliert.

Sollten nach den nicht im Nachlass vorhandenen und mir daher nicht bekannten Versicherungsbedingungen oder aus Ihrer fachlichen Sicht weitergehende Maßnahmen angezeigt sein, bitte ich um schriftliche Mitteilung. (...)

 

Rz. 137

Mit der Novelle des VVG zum 1.1.2008 ist das Gesetz vom früher geltenden "Alles-oder-Nichts-Prinzip" abgekehrt. Bloß fahrlässige Obliegenheitsverletzungen lösen demnach keine Leistungsfreiheit der Versicherung mehr aus. Notwendig ist Vorsatz, bei einer groben Fahrlässigkeit sieht § 28 VVG eine Quotelung vor. Aufgrund der Darlegungen in dem vorgenannten Musterschreiben handelt der Nachlasspfleger lediglich dann grob fahrlässig, wenn die Versicherung ihm konkret mitteilt, dass sie auf einer Entleerung sämtlicher Wasserleitungen besteht.

 

Rz. 138

Die Beheizung des – im Sinne des Versicherungsrechts – benutzten Gebäudes hat der Nachlasspfleger dann genügend häufig zu kontrollieren. Maßstab für eine genügend häufige Kontrolle der Beheizung ist dabei nicht der nach einem unterstellten Heizungsausfall im ungünstigsten Falle zu erwartende Zeitablauf bis zum Schadeneintritt, sondern allein die Frage, in welchen Intervallen die jeweils eingesetzte Heizungsanlage nach der Verkehrsanschauung und Lebenserfahrung mit Blick auf ihre Bauart, ihr Alter, ihre Funktionsweise, regelmäßige Wartung, Zuverlässigkeit, Störanfälligkeit und ähnliches kontrolliert werden muss, um ein reibungsloses Funktionieren nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu gewährleisten.[156] Nach sac...

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