Rz. 624

Für jede Steuer muss geprüft werden, welche steuerlichen Pflichten und Rechte den Nachlasspfleger betreffen, wobei differenziert werden kann zwischen:

Steuern, die vor dem Erbfall in der Person des Erblassers entstanden sind (insbes. Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Grunderwerbsteuer, Erbschaftsteuer wegen eines Erwerbs des Erblassers, praktisch alle Steuern) und
nach dem Erbfall in Ansehung des unter der Nachlasspflegschaft stehenden Vermögens entstehende Steuern (insbes. wiederum Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer und alle weiteren Steuern).
 

Rz. 625

In aller Regel werden im Zeitpunkt des Erbfalles in der Person des Erblassers bereits Steuerschulden entstanden sein, die noch nicht beglichen sind, gleich ob schon durch Steuerbescheid festgesetzt oder nicht. Typische Fälle hierfür sind die laufenden Steuern, wie Einkommensteuer, Gewerbesteuer (§ 5 Abs. 1 S. 1 GewStG, für Personengesellschaften aber § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG) und Umsatzsteuer. Alle diese Steuerschulden sind Nachlassverbindlichkeiten. Sie gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben über (§ 45 AO).

 

Rz. 626

Eine Außenprüfung/Betriebsprüfung wegen vor dem Erbfall entstandener Steuern kann wohl auch gegen den Nachlasspfleger angeordnet werden.[457]

 

Rz. 627

Hatte der Erblasser für die in seiner Person entstandenen Steuern noch keine Steuerklärungen abgegeben, so hat der Nachlasspfleger dies zu tun.[458] Da es sich um vergangene, seinem Einblick entzogene Sachverhalte handelt, sind Nachforschungen bei entsprechenden Wissensträgern meist unvermeidlich (z.B. bei Ehegatten, Banken, Steuerberatern, bei Unternehmensvermögen im Nachlass auch bei den zuständigen Abteilungen des Unternehmens).

 

Rz. 628

Die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Steuerbescheide, die vom Erblasser verwirklichte Steuertatbestände betreffen, kann Aufgabe des Nachlasspflegers sein.

 

Rz. 629

Der Nachlasspfleger hat die in der Person des Erblassers entstandenen Steuerschulden aus Nachlassmitteln zu tilgen.

 

Rz. 630

Steuererstattungsansprüche des Erblassers fallen in den Nachlass und sind deshalb vom Nachlasspfleger geltend zu machen.

 

Rz. 631

Insbesondere haftet der Nachlasspfleger für vom Erblasser hinterzogene Steuern, wenn er seiner Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO nicht nachkommt.

 

Rz. 632

Besteht das der Nachlasspflegschaft unterliegende Vermögen in einem Unternehmen und kann für die Zeit vor dem Erbfall noch eine Betriebsprüfung angeordnet werden, muss der Nachlasspfleger damit rechnen, dass diese Betriebsprüfung zu Steuernachforderungen führt und entsprechende Mittel aus dem Nachlass zur Steuerzahlung zurückbehalten.

 

Rz. 633

Der Nachlasspfleger ist berechtigt, auf Kosten des Nachlasses steuerlichen Rat einzuholen, weil dies zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses gehört. Bei Fehlen eigener Fachkenntnisse ist der Nachlasspfleger sogar verpflichtet, fremden Rat einzuholen. Holt der Nachlasspfleger den Rat nicht ein und entsteht dem Erben daraus ein Schaden, hat der Nachlasspfleger diesen möglicherweise zu ersetzen.

 

Rz. 634

Auf der anderen Seite darf der Nachlasspfleger keine erkennbaren überflüssigen und leichtfertigen Steuerberatungskosten erzeugen. Hierfür haftet er dem Erben auf Schadensersatz. Das ist z.B. der Fall, wenn ein in kaufmännischer Angelegenheit erfahrener Nachlasspfleger einen Rechtsanwalt beauftragt, Einspruch gegen dem Grunde nach unstreitige Erbschaftsteuerbescheide einzulegen, lediglich um die Einspruchsfrist zu wahren. Der Nachlasspfleger ist auch berechtigt, das Mandatsverhältnis zum bisherigen steuerlichen Berater des Erblassers zu kündigen und einen anderen Berater zu beauftragen, soweit es um die steuerlichen Belange des Nachlasses geht. Der Nachlasspfleger wird in solchen Fällen beim Finanzamt Fristverlängerung unter Hinweis auf die Probleme mit dem bisherigen steuerlichen Berater beantragen,

 

Rz. 635

Wenn sich dem steuerunkundigen Nachlasspfleger Steuerzweifel aufdrängen, muss er einen Sachkundigen herbeiziehen. Dem steuerunkundigen Nachlasspfleger ist in jedem Falle zu empfehlen die Gründe seines Handels deutlich zu dokumentieren, dass er also die Steuerfolgen seines Handelns nicht beurteilen kann, und ein Steuerfachmann beizuziehen

[457] So ausdrücklich für den Testamentsvollstrecker, FG Baden-Württemberg v. 12.2.1990, rkr. EFG 1990, 400; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Boeker § 34 AO Rn 89; Seidenfus/Huber INF 2001, 385, 386; Steiner ErbStB 2011, 235, 236; a.A. Tipke/Kruse/Loose § 34 AO Rn 29.
[458] Hübschmann/Hepp/Spitaler/Boeker § 34 AO Rn 89; Tipke/Kruse/Loose § 34 AO Rn 29.

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