Rz. 560

Die Festsetzungsfrist beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Der Zeitpunkt der Entstehung der Steuern ergibt sich aus den einzelnen Steuergesetzen (§ 38 AO).[422]

 

Rz. 561

Vom Grundsatz, dass die Festsetzungsfrist mit dem Ablauf des Kalenderjahres der Entstehung der Steuer beginnt (§ 170 Abs. 1 AO), gibt es für die Besitz-[423] und Verkehrssteuern,[424] für die eine Steuererklärung, Steueranmeldung oder Anzeige abzugeben ist, abweichend eine sog. Anlaufhemmung. Die Festsetzungsfrist beginnt dann mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in welchem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Für die Erbschaft- und Schenkungssteuer findet sich eine eigenständige Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 5 AO). Bei einem Erwerb von Todes wegen beginnt die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt (§ 170 Abs. 5 Nr. 1 AO); bei Schenkungen beginnt die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat (§ 170 Abs. 5 Nr. 2 AO).

 

Rz. 562

Die Festsetzungsfrist läuft somit abhängig von den Einzelumständen nach einem, vier, fünf oder zehn Jahren zum Ende eines Kalenderjahres ab.

 

Rz. 563

Für kraft Gesetzes ohne weitere Aufforderung abzugebende Steuererklärungen (z.B. Einkommensteuer-, Umsatzsteuer-, Gewerbesteuererklärungen) beginnt die Festsetzungsfrist somit spätestens drei Jahre nach Entstehung der Steuer.

 

Rz. 564

Eine Erbschaftsteuererklärung ist nach § 31 ErbStG erst nach Aufforderung durch die Finanzverwaltung abzugeben. Hierdurch entsteht die auf Gesetz beruhende Steuererklärungspflicht mit den Rechtswirkungen des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO, die zu einem von § 170 Abs. 1 AO abweichenden Beginn der Festsetzungsfrist führt. Danach beginnt die Festsetzungsfrist spätestens mit dem Ende des dritten auf die Aufforderung folgenden Kalenderjahres und frühestens am Ende des Wirtschaftsjahres der Abgabe der Erbschaftsteuererklärung.[425]

 

Rz. 565

Für Nachlasspfleger dürfte aber regelmäßig die Regelung des § 170 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG von Bedeutung sein. Nach dieser Vorschrift beginnt die Festsetzungsfrist für die Erbschaftsteuererklärung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat. Der Umstand, dass der Beginn der Festsetzungsfrist gehemmt ist, steht einer Steuerfestsetzung nicht entgegen.[426] Durch diese Regelung, die den Beginn der Festsetzungsfrist hinausschiebt, wird sichergestellt, dass ein Erbschaftsteuerbescheid in jedem Fall noch geändert werden kann, wenn der (endgültige) Erbe von seinem Erwerb Kenntnis erlangt.

 

Rz. 566

 

Beispiel

Der Erblasser verstarb im Jahr 2001. Es wurde noch in 2001 ein Nachlasspfleger für die unbekannten Erben bestellt. Dieser gab nach Aufforderung noch in 2001 für die unbekannten Erben die Erbschaftsteuererklärung ab. Die Finanzverwaltung erließ in 2002 einen Erbschaftsteuerbescheid, in dem sie von einem Alleinerben, der der Erbschaftsteuer-Klasse III angehört, ausging.

Im Jahr 2008 erfährt das nichteheliche Kind K von seiner Erbenstellung. Ohne die Sonderregelung des § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO wäre eine Änderung des Erbschaftsteuerbescheides unter Berücksichtigung des Freibetrages und des Steuersatzes für Steuerklasse I nicht mehr möglich gewesen. Da die Festsetzungsfrist jedoch frühestens mit Kenntniserlangung des Erben beginnt, kann die Steuer aber noch herabgesetzt werden.

 

Rz. 567

Eine allgemeine Regelung über das Herausschieben des Beginns für sämtliche Steuerbescheide eines Erben gibt es demgegenüber nicht. Hat ein (unbekannter) Erbe somit immer zum frühestmöglichen Zeitpunkt seine Einkommensteuererklärungen abgegeben, kann sich dies als vorteilhaft erweisen, wenn er später erfährt, dass er Erbe von ertragbringendem Vermögen geworden ist.

 

Rz. 568

 

Beispiel

Der unbekannte Erbe E gibt seine Einkommensteuererklärungen immer im Folgejahr ab. Als er im Jahr 2008 erfährt, dass er 2001 ein großes Wertpapiervermögen geerbt hat, das im Jahr durchschnittlich 100.000 EUR Erträge erwirtschaftet hat, überlegt er, inwieweit er seine Einkommensteuererklärungen für die Vergangenheit korrigieren muss, da er in diesen die ihm unbekannten Erträge selbstverständlich nicht erklären konnte.

Festsetzungsverjährung für die Einkommensteuererklärung 2001 trat – da im Jahr 2002 abgegeben – am 31.12.2006 ein; für die Steuererklärung 2002 am 31.12.2007. E muss daher seine Einkommensteuererklärungen erst für die Jahre 2003 und die Folgejahre korrigieren. Die Erträge der Jahre 2001 und 2002 können steuerlich nicht mehr erfasst werden.

 

Rz. 569

Soweit zur Vorbereitung des Erbschaftsteuerbescheides Grundlagenbescheide zur Wertfeststellung erlassen werden, gelten für diesen die allgemeinen Festsetzu...

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