Rz. 48

Wie oben erwähnt (siehe Rdn 34), bildet die zivilrechtliche Umsetzbarkeit den Maßstab dafür, ob ein Gestaltungskonzept grundsätzlich umgesetzt werden kann. Diese Aussage impliziert, dass die Gestaltungsidee als solche in der Regel nicht ein Produkt rechtstheoretischer Überlegungen ist. Vielmehr kommt es entscheidend auf unternehmerische Phantasie und Einfühlungsvermögen an. Das Nachfolgekonzept muss betriebswirtschaftlich Sinn ergeben und für möglichst viele Betroffene befriedigend oder doch mindestens akzeptabel sein (vgl. hierzu § 21 Mediation sowie § 22 Familienstrategie).

 

Rz. 49

In Ergänzung der bereits vorgenommenen Zieldefinition sind in diesem Zusammenhang zunächst die ganz grundsätzlichen konzeptionellen Fragen zu entscheiden, z.B.:

Soll die Übergabe unter Lebenden oder von Todes wegen erfolgen oder ist eine Kombination von beidem anzustreben?
Soll der bzw. sollen die Nachfolger auch die operative Verantwortung im Management des Unternehmens übernehmen oder soll sich die Unternehmensnachfolge auf die reine Gesellschafterstellung beschränken?
Gibt es einen einzigen Unternehmensnachfolger oder mehrere, welche Aufgaben sollen auf ihn in Managementfunktionen und in der Eigentümerrolle zukommen?
Oder soll das Unternehmen mit Hilfe einer Stiftung rechtlich verselbstständigt und das Eigentum daran aufgegeben werden?
 

Rz. 50

Des Weiteren ist zu klären, ob eine mögliche Unternehmensübertragung innerhalb der Familie entgeltlich, teilweise entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen soll. Die Antwort hierauf wird in vielen Fällen nicht zuletzt davon abhängen, ob der Unternehmer sich eine unentgeltliche Übertragung überhaupt leisten kann, ob sein übriges Vermögen also für seine wirtschaftliche Absicherung sowie eine angemessene Vermögensbeteiligung etwa vorhandener Pflichtteilsberechtigter ausreicht.

 

Rz. 51

Ist kein Unternehmensnachfolger aus der Familie vorhanden und kommt auch eine Entkoppelung der Eigentümerstellung von der Managementverantwortung nicht in Betracht oder ist sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht gewollt, rücken Verkaufsszenarien in den Mittelpunkt des Interesses. In dieser Situation gilt es, zum einen eine sinnvolle Strategie für den Verkauf zu entwickeln und zum anderen, über sinnvolle Möglichkeiten der Reinvestition bzw. Strukturierung des Verkaufserlöses nachzudenken und die diesbezügliche Nachfolge zu planen. Dabei erfordert auch der beabsichtigte Verkauf eine Vielzahl weiterer Entscheidungen: Vom Verkauf an Mitarbeiter (Management-Buy-Out, MBO) über den Verkauf an eine neue Geschäftsführung (Management-Buy-In, MBI) und den Verkauf an Dritte (strategische oder Finanzinvestoren) bis zum Börsengang eröffnet sich eine große Bandbreite in Betracht kommender Möglichkeiten (vgl. hierzu auch § 32 Unternehmensverkauf/MBO/MBI).[9]

 

Rz. 52

In bestimmten Situationen, z.B. dann, wenn zwar eine entsprechend qualifizierte Führungspersönlichkeit im Familienbereich vorhanden ist, allerdings das Vermögen zur Befriedigung berechtigter Ansprüche anderer Beteiligter nicht ausreicht, kann auch ein so genannter Family-Buy-Out erwogen werden, also der Verkauf an ein Familienmitglied, der mit Hilfe eines externen Investors finanziert wird.

 

Rz. 53

Ist das Unternehmen als solches aufgrund seiner Struktur nicht für eine Übergabe oder einen Verkauf geeignet, bleibt als letzte Handlungsmöglichkeit die Liquidation, wobei auch dann zu entscheiden ist, zu welchem Zeitpunkt diese durchgeführt werden soll.

 

Rz. 54

Aber die Entwicklung der Handlungsoptionen sollte nicht bei diesen abstrakten Modellen Halt machen. Gefragt ist vielmehr deren erste, noch grobe, Anwendung auf die Gegebenheiten des konkreten Sachverhalts. Wenn also beispielsweise bereits klar ist, dass eine voll unentgeltliche Übertragung des Unternehmens auf einen einzigen Nachfolger nicht realistisch ist, weil der Unternehmer "sie sich nicht leisten kann", kann dieses Modell von vornherein ausgeklammert werden. In Betracht kommende Optionen sind dann vielmehr eine Übertragung unter Vereinbarung von Gleichstellungsgeldern, eine (teilweise) entgeltliche Übertragung mit Zahlungen zugunsten des Übergebers und/oder eine Übertragung gegen Versorgungsleistungen oder eine Kombination dieser grundsätzlichen Modelle.

 

Rz. 55

Auch wenn die Entwicklung von Handlungsoptionen sich zunächst nur mit dem Nachfolgekonzept, nicht aber mit der Detailplanung auseinandersetzt, muss sie doch auf jeden Fall so konkret sein, dass sie dem Unternehmer im nächsten Schritt die Entscheidungsfindung ermöglicht, sodass anschließend die Strategie feststeht und mit Hilfe der Detailplanung die Art und Weise ihrer Umsetzung festgelegt werden kann.

[9] Vgl. hierzu auch Scherer/Scherer, MAH Erbrecht, § 1 Rn 7.

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