Rz. 12

Ist der Liefertermin oder die Lieferfrist unverbindlich vereinbart worden, kann der Käufer nach Abschn. IV. Nr. 2 S. 1, 2 NWVB sechs Wochen nach Überschreiten der festgelegten Zeit den Verkäufer auffordern zu liefern. Mit Zugang der Aufforderung kommt der Verkäufer in Verzug. Begehrt der Käufer Rücktritt und bzw. oder Schadensersatz, hat er zuvor eine angemessene Nachfrist zu setzen.

 

Rz. 13

Ungeachtet der Frage, ob der Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs schon mit Erreichen der Lieferfrist bzw. des Liefertermins fällig ist, oder erst nach Ablauf der Nachfrist fällig wird, kann der Käufer den Verkäufer innerhalb der Frist nicht in Verzug setzen. Eine gleichwohl erfolgte Mahnung ist unwirksam.

Problematisch ist die Vereinbarkeit der "Wartefrist" von sechs Wochen mit den §§ 307, 308 Nr. 1, 309 Nr. 8a BGB. Nach diesen Vorschriften ist eine Regelung in den AGB unwirksam, durch die sich der Verwender die Leistungserbringung unangemessen lange vorbehält und in Wechselwirkung damit auch das Recht des Käufers, sich vom Vertrag zu lösen, einschränkt.[21]

 

Rz. 14

Das Lösungsrecht des Käufers wird durch die "Wartefrist" gravierend beeinträchtigt, weil der Käufer während der Lieferzeitverlängerung daran gehindert ist, sich anderweitig einzudecken,[22] Verzugsfolgen geltend zu machen und vom Vertrag zurückzutreten. Der Verkäufer erhält hingegen einen großzügigen zeitlichen Bonus, um seiner Lieferverpflichtung nachkommen zu können.

 

Rz. 15

Trotzdem hat der BGH[23] die Länge der "Wartefrist" als angemessen erachtet. Dem hat sich ein Teil der Literatur angeschlossen.[24] Ausschlaggebend dafür seien die Besonderheiten des Kraftfahrzeughandels. Wie bei der Annahmefrist sei auch hier die Fristdauer notwendig, da der Verkäufer ein Produkt liefere, das erst noch vom Hersteller produziert werden müsse, in großer Stückzahl und verschiedener Ausstattung. Es entspreche der auch im Interesse des Käufers liegenden Praxis, dass das Fahrzeug meist von vornherein – und nicht nachträglich beim Händler – in der gewünschten Ausstattung hergestellt werde. Angesichts der Vielfalt der Ausstattungsvarianten sei es oft unvermeidbar, dass je nach Liefermöglichkeiten der Zulieferanten des Herstellers Verzögerungen in der Fertigstellung des Fahrzeugs einträten. Zudem könne der Hersteller dem Verkäufer zwar eine bestimmte Lieferquote an Fahrzeugen zusichern, hinsichtlich der vom Käufer gewünschten Ausstattungsvariante sei jedoch eine verbindliche Lieferzusage nur für eine Zeit von acht Wochen vor Auslieferung erhältlich. Die zeitlichen Verschiebungen nehme der Käufer jedoch hin, indem er sich mit einer nur unverbindlichen Lieferfrist einverstanden erkläre.

 

Rz. 16

Diese Argumentation kann eine sanktionslose Lieferfristüberschreitung von sechs Wochen nicht mehr rechtfertigen. Bei Abwägung der gegenseitigen Interessen kommt es zwar auf die branchenüblichen Beschaffungs- und Herstellungszeiten an, die ggf. um einen gewissen Sicherheitszeitraum zu verlängern sind, aber es sind demgegenüber sind auch die Interessen des Kunden an alsbaldiger Leistung zu beachten.[25] Hinsichtlich der Herstellungszeiten in der Automobilbranche lässt der BGH außer Acht, dass sich das Fertigstellungsdatum selbst unter Einbeziehung der dort genannten Unwägbarkeiten über einen Zeitraum von drei Monaten meistens exakt, zumindest aber mit einer Abweichung von höchstens vier Wochen festlegen lässt. Durchschnittlich beträgt die Zeit zwischen der anvisierten Fertigstellung des Fahrzeugs beim Hersteller und Lieferung an den Händler ein bis zwei Wochen. Diese von Herstellern und Importeuren schon vor Jahren ermittelten Angaben kann der Händler im Vorfeld bei der Bestimmung des unverbindlichen Liefertermins mit einbeziehen, so dass eine Wartefrist von vier Wochen selbst bei Eintritt von immer mal wieder auftretenden Störungen in der Fertigung oder bei Materiallieferungen reichlich bemessen wäre im Hinblick auf die durchschnittliche Verzögerung zwischen Herstellung und Lieferung an den Händler von nur ein bis zwei Wochen.[26]

 

Rz. 17

Für die Prüfung der Unangemessenheit der Klausel im Rahmen des § 308 Nr. 1 BGB darf zudem nicht auf singuläre Interessen des Händlers abgestellt werden, sondern der Verwender ist verpflichtet, sich bei der Gestaltung seiner AGB auf die durchschnittliche Interessenlage einzustellen, für die der Normalfall maßgeblich ist.[27]

 

Rz. 18

Die unvorhersehbaren zeitlichen Verzögerungen in der Belieferung des Herstellers durch den Zulieferer, die trotz sorgfältigster interner Maßnahmen unvermeidbar seien, werden weder vom BGH noch der ihm folgenden Literatur näher spezifiziert. Dabei scheiden jedoch solche durch höhere Gewalt und Betriebsstörungen eingetretenen Verzögerungen, die unverschuldet eintreten und daher eine gewisse Rechtfertigungswirkung hätten, aufgrund der dafür geltenden Sonderregelung in Abschn. IV. Nr. 5 NWVB ohnehin aus. Den daher verbleibenden beeinflussbaren Umständen kann durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen, wie einer großzügigen Be...

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