Rz. 496

In der Literatur wird zum Teil angenommen, dass eine generelle Anerkennung von Pflichtteilsverzichten Bedürftige allgemein nicht vollständig gesichert sei.[832] Nach einer anderen Ansicht wird eine Differenzierung innerhalb der Gruppe der Bezieher nachrangiger Leistungen abgelehnt.[833] Zwar ließen sich die Argumente des Familienlastenausgleichs bei Behinderung nicht auf andere Fallkonstellationen übertragen; andererseits komme es entscheidend auf den Grundsatz der negativen Erbfreiheit an.[834]

Andere stellen auf die Umstände des Einzelfalles ab. Maßgeblich seien u.a. die Motivation des Verzichtenden, die Absehbarkeit der Sozialhilfebedürftigkeit und eine etwaige Entgeltlichkeit des Verzichts.

 

Rz. 497

Letzteres dürfte dem aktuellen Stand der Diskussion entsprechen. Ein Pflichtteilsverzicht[835] eines Bedürftigen ist unter den allgemein gültigen Voraussetzungen m.E. im Sozialhilferecht zulässig. Hier kollidiert ein Verfassungsgrundsatz mit dem Prinzip der Selbsthilfe. Sozialhilferechtlich kann der verfassungsrechtlich geschützten negativen Erbfreiheit deshalb dem Grunde nach m.E. nach zunächst einmal nicht ohne Weiteres etwas entgegengesetzt werden.[836]

[832] Keim, Fallstricke bei Erb- und Pflichtteilsverzichten, RNotZ 2013, 411; Inkmann, Die Sittenwidrigkeit von Pflichtteilsverzichten, S. 269 f. m.w.N.; DNotI-Report 2020, 65–67 mit ausführlicher Darstellung der unterschiedlichen Positionen.
[833] Inkmann, Die Sittenwidrigkeit von Pflichtteilsverzichten, S. 276.
[834] DNotI-Report 2020 65, 66.
[835] Zum Recht auf Ausschlagung des bereits angefallenen Erbes aus sozialhilferechtlicher Sicht vgl. BVerwG v. 10.4.1991 – Az.: 5 B 30.90, Buchholz 436.0 § 92c BSHG Nr. 5.
[836] Vgl. Doering-Striening, Der Sozialhilfeempfänger als Erbe, ZErb 2014,105; Doering-Striening, Vom BSHG zum SGB XII, VSSR 2009, 93.

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