Rz. 487

Bei einem solchen Verzichtsvertrag handelt es sich um ein abstraktes erbrechtliches Verfügungsgeschäft, dem in der Regel eine schuldrechtliche Abrede zugrunde liegt, die den Rechtsgrund beinhaltet und verhindert, dass der Verzicht der Kondiktion unterliegt. Es wird insoweit weiter zwischen einem Vertrag unterschieden, der eine Verpflichtung zum Verzicht begründet und einer bloßen Rechtsgrundabrede (Kausalabrede), die – ohne eine durchsetzbare Verpflichtung zu beinhalten – dem Verzicht die eine Kondiktion ausschließende causa unterlegt.[819]

Auf diese Verträge sind die allgemeinen Vorschriften des BGB zur Anfechtung von Willenserklärungen, Wegfall der Geschäftsgrundlage und zur Sittenwidrigkeit anwendbar. Allerdings ist Ausgangspunkt jeder Prüfung, dass ein "Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht von der gesetzgeberischen Konzeption her einen aleatorischen Charakter besitzt, indem jeder Beteiligte bewusst Unsicherheiten hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in der Person des Erblassers und des Verzichtenden auf sich nimmt, so dass sie wegen der damit verbundenen Risikozuweisung grundsätzlich auch dann Bestand haben soll, wenn später eine signifikante Änderung der Vermögenslage eintritt. Wegen des Wesens als abstraktes Verfügungsgeschäft gilt für die Wirksamkeitskontrolle nach § 138 BGB, dass der vom Gesetzgeber in § 2346 zugelassene Verzicht als solcher wertneutral ist. Eine Unwirksamkeit kann sich gleichwohl aus dem Gesamtcharakter sowie aus Umständen, die eine dem Verzicht zugrunde liegende schuldrechtlichen Vereinbarung anhaften, ergeben. … Die Prüfung am Maßstab der Sittenwidrigkeit ist damit, insbesondere im Fall der Inhaltskontrolle, ein Instrument, um groben Verstößen entgegenzutreten, dessen Anwendung auf evidente Ausnahmefälle begrenzt bleiben muss."[820]

 

Rz. 488

Das hinter dem Verzicht im Regelfall stehende Verpflichtungsgeschäft kann aus erbrechtlicher Sicht im Einzelfall unwirksam sein oder einer Anpassung bedürfen,[821] Zu beachten ist, dass dies Ansprüche auslösen kann, die als bedürftigkeitsmindernd stets zu prüfen bleiben.

[819] BGH v. 29.11.1996 – Az.: Blw 16/96, BGHZ 134, 152; BGH v. 7.12.2011 – Az.: IV ZR 16/11= NJW-RR 2012, 332; LG Nürnberg-Fürth v. 23.3.2018 – Az.: 6 O 6494/17, DNotZ 2019, 213.
[820] LG Nürnberg-Fürth v. 23.3.2018 – Az.: 6 O 6494/17, DNotZ 2019, 213; OLG Hamm v. 8.11.2016 – Az.: 10 U 36/15, NJW 2017, 576; OLG Hamm v. 19.2.2019 – 10 U 18/18, ErbR 2020, 504–509.

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