Rz. 584

Verfassungsrechtlich ist die Einführung einer solchen Kostenersatznorm dem Grunde nach nicht zu beanstanden, da die Erbrechtsgarantie nicht das (unbedingte) Recht gewährleistet, den Eigentumsbestand von Todes wegen ungemindert auf Dritte zu übertragen.[963] Allerdings ist fraglich, ob sich angesichts der Abschaffung der Erbenhaftung in § 35 SGB II, der Ausnahmen zur Erbenhaftung in § 102 Abs. 5 SGB XII selbst und der Nichtaufnahme der sozialhilferechtlichen Erbenhaftung in die Eingliederungshilfe des SGB IX die Ungleichbehandlung zu den verbliebenen Fällen noch begründen lässt. Warum haften die Erben, wenn der Leistungsbezieher seine Existenz durch Hilfe zum Lebensunterhalt statt durch Grundsicherung sichern musste? Hinsichtlich eines aus einer selbstbewohnten Immobilie bestehenden Schonvermögens führt die Differenzierung nämlich zu dem eigenartigen Ergebnis, dass dauerhaft voll erwerbsgeminderte und über 65-jährige Leistungsbezieher von Grundsicherungsleistungen dieses Schonvermögen ohne weiteres vererben können, zeitweise voll Erwerbsgeminderte aber nicht.

Warum wird vom überlebenden Ehegatten kein Kostenersatz verlangt, von seinen Erben, falls er vorverstirbt aber schon?

 

Rz. 585

Die Beispiele zeigen, dass das Nachrangprinzip in den Systemen der sozialen Sicherung nicht konsequent durchgehalten ist und letztendlich das Problem des Erbens in Familien mit Beziehern nachrangiger Sozialleistungen nicht mehr wirklich durchdacht und normiert ist. Die Ergebnisse wirken jedenfalls beliebig.[964]

[963] BVerfG v. 22.6.1995 – Az.: 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, 174; BVerfG v. 28.10.1997 – Az.: 1 BvR 1644/94, NJW 1998, 743; ausführlich Oestreicher/Decker, SGB II/SGB XII, § 102 Rn 15, 16.
[964] Ebenso Bieritz-Harder/Conradis/Thie/Conradis, LPK-SGB XII, § 102 Rn 21.

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