Rz. 318

§ 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII schützt das

angemessene Hausgrundstück
welches von der nachfragenden Person und Personen der Einsatzgemeinschaft (§§ 19 Abs. 13, 20 SGB XII)
allein oder zusammen mit Angehörigen
ganz oder teilweise bewohnt wird
und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll.

Der Begriff des Hausgrundstücks wird in § 90 SGB XII nach seiner sozialen Zielsetzung bestimmt. Es sind vom Schutzzweck auch Eigentumswohnungen,[544] Dauerwohnrechte[545] und Häuser, die aufgrund eines Erbbaurechts[546] errichtet wurden, geschützt.[547]

[544] BVerwG v. 17.1.1991 – Az.: 5 C 53.86, BVerwGE 87, 278.
[545] Vgl. Empfehlungen des Deutschen Vereins für den Einsatz von Einkommen und Vermögen in der Sozialhilfe, NDV 2003, 45; LSG Bayern v. 27.1.2014 – Az.: L 8 SO 295/ 14, openJur 2020, 68758.
[546] Vgl. LSG NRW v. 5.5.2014 – Az.: L 20 SO 58/13, RdLH 2014, 181–183 zu einem geschützten Erbbaurecht trotz unangemessener Wohnfläche.
[547] OVG Lüneburg v. 12.6.1995 – Az.: 12 L 2513/94, FEVS 46, 194.

a) Hausgrundstück

 

Rz. 319

Zwei[548]- oder Mehrfamilienhäuser unterfallen dem Schutz von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII nicht. Dabei ist rechtlich irrelevant, dass ein Haus nach dem Bewertungsgesetz als Zweifamilienhaus bezeichnet wird.[549] Ein Haus ist nicht geschont, wenn

eine Aufteilung des Hauses in separate Eigentumswohnungen mit entsprechender Teilungserklärung erfolgt ist
es sich um zwei Wohnungen handelt (in Abgrenzung zu einem Hausgrundstück, das mit einem Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung[550]), die zwar abgeschlossen, aber rechtlich nicht geteilt sind, die mit der Gesamtwohnfläche die Flächengrenzen überschreitet.[551]

Wohngebäude mit zwei Wohnungen können dem Schutz des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII ggf. unterfallen, wenn die Wohnungsgröße der eines Familienheims mit einer Wohnung entspricht.[552]

[549] Aus dem SGB II, aber übertragbar: LSG NRW v. 28.3.2019 – Az.: L 19 AS 586/18, WKRS 2019, 11253.
[551] Aus dem SGB II, aber übertragbar: LSG NRW v. 28.3.2019 – Az.: L 19 AS 586/18, WKRS 2019, 11253.
[552] OVG NRW v. 9.2.2005 – Az.: 16 A 622/01, openJur 2011, 33210.

b) Bewohnen/Nutzen allein oder zusammen mit Angehörigen (§ 16 Abs. 5 SGB XII)

 

Rz. 320

Das "Bewohnen" oder "Nutzen" im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII ist zu verneinen, wenn ein Haus voraussichtlich längere Dauer nicht mehr bewohnt wird. Ebenso ist es bei nur gelegentlich genutzten Immobilien wie z.B. Ferienwohnungen, so dass sich insoweit inhaltlich kein Unterschied ergibt.

In dem Hausgrundstück muss die antragstellende Person allein oder zusammen mit Angehörigen wohnen. Angehörigen sind – anders als im SGB II – mit in den Schutzbereich einbezogen.[553] Der Begriff des Angehörigen ergibt sich aus § 16 Abs. 5 SGB XII.

Es reicht aber nicht aus, wenn das Hausgrundstück nur noch von sonstigen Angehörigen bewohnt wird, die nicht in die Einsatzgemeinschaft fallen, wie z.B. die Geschwister.[554] Bewohnt wird das Hausgrundstück auch dann, wenn die hilfesuchende Person stationär in eine Heimeinrichtung aufgenommen wurde und der Ehegatte/Lebenspartner noch zu Hause lebt.

Dauernde Heimunterbringung begründet kein dauerndes Getrenntleben, sondern erst dann, wenn ein ausdrücklicher Trennungswille bekanntgegeben wird.

[553] Vgl. zu den unterschiedlichen Begriffen des angemessenen Hausgrundstücks in SGB II und SGB XII BSG v. 12.12.2013 – Az.: B 14 As 90/12 R, NJW 2014, 2752.
[554] Bieritz-Harder/Conradis/Thie/Geiger, LPK-SGB XII, § 90 Rn 48 ff.; Schlegel/Voelzke/Behrend, jurisPK-SGB II, § 12 Rn 38.

c) Angemessenheit

 

Rz. 321

Die Angemessenheit nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII wird – anders als nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II[555] – mittels einer Vielzahl von Kriterien (Kombinationstheorie[556]), z.B.

Anzahl der Bewohner
Wohnbedarf (z.B. behinderter oder pflegebedürftiger Mensch)
Grundstücksgröße
Hausgröße
Zuschnitt
Ausstattung des Wohngebäudes
Wert
Zielsetzung der Wohnnutzung über den Tod hinaus

beurteilt. Soweit ein einzelnes Kriterium unangemessen ist, führt dies nicht automatisch zur kompletten Unangemessenheit.[557] Bei der Bestimmung des Verkehrswerts fallen auf dem Grundstück liegende Belastungen nicht wertmindernd ins Gewicht.[558]

[555] Vgl. hierzu BSG v. 12.12.2013 – Az.: B 14 AS 90/12 R, NJW 2014, 2752 zu den Unterschieden bei der Verwertbarkeit eines von mehreren Personen bewohnten Grundstücks, die nicht in Bedarfs- oder Einsatzgemeinschaft leben.
[556] BVerwG v. 17.10.1974 – Az.: V C 50.73, BVerwGE 47, 103 und v. 17.1.1980 – Az.: 5 C 48/78, BVerwGE 59, 294; dem folgend BSG v. 19.5.2009 – Az.: B 8 SO 7/08 R, NVwZ-RR 2010, 152.
[558] BVerwG v. 17.10.1974 – Az.: V C 50.73, BVerwGE 47, 103, 109; BVerwG v. 26.10.1980 – Az.: 5 C 34.86, NJW 1990, 1309.

aa) Wohnflächengrenzen

 

Rz. 322

Das BSG geht bei der Beurteilung der Angemessenheit sowohl im SGB II als auch im SGB XII von den Wohnflächengrenz...

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