Rz. 147

Zu den Nutzungsrechten, die in der Praxis häufiger zugewendet oder im Rahmen einer Zuwendung vorbehalten werden, gehören z.B. der Nießbrauch (§ 1059 BGB) und das Wohnungsrecht (§ 1093 i.V.m. § 1092 BGB).

Die Ausübung des Wohnungsrechtes durch den Bedürftigen selbst wirkt auf den sozialhilferechtlichen Leistungsanspruch wie folgt:

Besteht das vorbehaltene oder eingeräumte Wohnungsrecht schon vor dem Bedarfszeitraum/Antragszeitraum, dann muss man das Wohnungsrecht per se als Vermögen im Sinne des § 90 SGB XII definieren.
Wird das Wohnungsrecht erst während des Bedarfszeitraums/Antragszeitraums zugewendet, dann müsste man es nach der modifizierten Zuflusstheorie im SGB XII – anders als im SGB II – eigentlich als Einkommen behandeln. Aber Einkommen in Geldeswert ist nur dann anzunehmen, wenn der Zufluss einen Marktwert hat und sich in Geld umtauschen lässt. Das ist nicht der Fall.[266]
 

Rz. 148

Beides mal ist das Wohnungsrecht bis auf Weiteres rechtlich nicht verwertbar. Dinglich sind Rechte wie das Wohnungsrecht, nämlich verwertungsfest, denn die §§ 1059, 1092 BGB ordnen an, dass sie nicht übertragen werden können. Die Belastung des dinglichen Rechts ist ausgeschlossen, weil an einem Recht, das nicht übertragbar ist, ein Nießbrauch bzw. ein Pfandrecht nicht bestellt werden kann (§§ 1069 Abs. 2, 1274 Abs. 3 BGB). Das Recht ist also kein Einkommen mangels Marktfähigkeit und kein Vermögen mangels rechtlicher Verwertbarkeit i.S.v. § 90 Abs. 1 SGB XII.

 

Rz. 149

Die Unveräußerlichkeit des Rechts wirkt sich sozialhilferechtlich dahingehend aus, dass der Inhaber des dinglichen Rechts sich aus dessen Liquidierung der Substanz nicht selbst helfen kann. Aus dem Recht kann aber allmonatlich Einkommen in der Form der Nutzungen (§ 100 BGB) generiert werden, die dann ihrerseits Einkommen darstellen.

 

Rz. 150

Der Bedürftige kann aus der Ausübung des Rechts seine Bedürftigkeit vermindern; entweder weil er aus der eigenen Nutzung Aufwendungen erspart und seinen Bedarf decken kann oder weil er aus der Nutzung des Rechts Einkünfte – also sozialhilferechtlich Einkommen – ziehen kann. Das ist beim Nießbrauch offenkundig, beim Wohnungsrecht ist zu differenzieren: Das Wohnungsrecht ist ein Sonderfall der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit mit nießbrauchsähnlicher Gestaltung, bei dem der Berechtigte ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung benutzen darf (§ 1093 Abs. 1 S. 1 BGB). Der Ausschluss des Eigentümers von der Benutzung des Gebäudes oder Gebäudeteils ist unabdingbares Wesensmerkmal des Wohnungsrechts. Der Eigentümer als solcher ist neben dem Berechtigten nicht nutzungsberechtigt. Familienangehörige und Hauspersonal dürfen ohne besondere Gestattung aufgenommen werden.

 

Rz. 151

Nach § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB kann die Ausübung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit aber einem anderen überlassen werden, wenn die Überlassung gestattet ist. § 1093 BGB zum Wohnungsrecht nimmt auf § 1092 BGB Bezug. Ohne Gestattung können die am Vertrag Beteiligten Unterlassung verlangen, nicht aber etwaigen Mietzins[267] oder Nutzungsentschädigung. Ein Anspruch auf Zustimmung zur Vermietung, der bedarfsdeckende Mittel generieren könnte, besteht nicht.[268] Beim Wohnungsrecht wird also selbst beim Verlassen der Wohnung – z.B. durch Heimaufnahme – nicht automatisch eine Möglichkeit geschaffen, mit der der Bedürftige sozialhilferechtlich Einkommen generieren kann.

 

Rz. 152

Das Wohnungsrecht ist abzugrenzen vom Wohnrecht. Es liegt vor, wenn ein Wohnrecht ohne Ausschluss des Eigentümers vereinbart wurde.[269] Davon ist wiederum das sog. Altenteilsrecht nach landesgesetzlichen Vorschriften abzugrenzen (Art. 96 EGBGB). Der Begriff des Altenteils oder des Leibgedinges (§ 49 GBO) ist gesetzlich nicht definiert. Ein Altenteils- oder Leibgedingsvertrag hat in der Regel die Gewährung des Unterhalts zum Inhalt, wobei dem Altenteiler ein Wohnrecht an einem bestimmten Teil des überlassenen Grundstücks gewährt wird. In Verbindung damit soll dem Übernehmer ein Gut oder ein Grundstück überlassen werden, mit dessen Nutzung er sich eine eigene Lebensgrundlage schaffen und gleichzeitig den dem Altenteiler geschuldeten Unterhalt gewinnen kann. Zumeist werden in einem Altenteil die Versorgungsansprüche des Berechtigten zusammengefasst. Sie setzen sich zumeist aus einer Kombination von

beschränkter persönlicher Dienstbarkeit (z.B. Wohnungsrecht)
Reallasten (z.B. Geld-, Natural-, Dienstleistungen, Grab- und Grabpflegekosten)

zusammen.

Die Einzelansprüche können Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII sein und zur Bedarfsdeckung herangezogen werden.

 

Rz. 153

Da das Wohnungsrecht nach den vorstehenden Ausführungen nicht zu sonstigen "bereiten" Mitteln im Sinne des Sozialhilferechts monetarisiert werden kann, darf es nach diesseitiger Sicht nur bedürftigkeitsmindernd in Höhe des Bedarfs für Wohnen und ggf. Heizung berücksichtigt werden.[270]

 

Beispiel

Der Wert des Wohnungsrechtes an einer 80 qm großen Wohnung beträgt monatlich 8...

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