Rz. 141

Das BSG unterscheidet bei freiwilligen Zuwendungen Dritter zwischen

Geldzahlungen oder Sachleistungen, die einem Leistungsberechtigten zum endgültigen Verbleib zugewendet werden,[244]
einem Darlehen, das mit einer Rückzahlungsverpflichtung im Sinne des BGB gegenüber dem Darlehensgeber belastet ist und
Zuwendungen Dritter, die eine rechtswidrig abgelehnte Leistung eben wegen der Ablehnung bis zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes substituieren sollen.[245]

Eine Zuwendung zum endgültigen Verbleib (Schenkung) ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich bedürftigkeitsmindernd.[246] Dass Geldgeschenke auch von Verwandten und Freunden Einkommen im Sinne des Sozialhilferechts sind, ist nicht wirklich streitig.[247] Bereits zum Arbeitslosenhilferecht wurde eine Schenkung zweier Tanten an ihren langjährig arbeitslosen Neffen in Höhe von 70.000 DM als Einkommen angesehen.[248]

 

Rz. 142

Für die Schenkung bspw. eines Pkw (damals als Vermögen zugeordnet) ist das BVerwG ausdrücklich der Auffassung entgegengetreten, die Zuwendung eines Pkw sei angemessener Hausrat oder gar wegen eines Schenkungstatbestandes privilegiert: "Insbesondere lässt sich nicht in einer verallgemeinerungsfähigen Weise sagen, dass ein Pkw, nur weil er einem Bedürftigen geschenkt worden ist, unter dem Gesichtspunkt der Härte von einem Vermögenseinsatz auszunehmen wäre."[249]

Andererseits gibt es auch Entscheidungen, bei denen es so scheint, als seien Zuwendungen Dritter durchaus sozialhilfeunschädlich. So hatte z.B. das LSG Hessen im Rahmen der Eingliederungshilfe über die Verwertung eines Bausparvertrages (§ 90 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII) zu entscheiden, mittels dessen ein behinderter Mensch den Erwerb einer Eigentumswohnung möglich mache wollte. Dessen Eltern hatten sich ergänzend verpflichtet, den zur Finanzierung einer solchen Wohnung fehlenden Betrag zuzusteuern. Das LSG Hessen sah die "vertragliche Selbstverpflichtung der Eltern und deren großzügige Unterstützung" beim Erwerb einer Eigentumswohnung – die nichts anderes als eine Schenkung darstellte – als nicht anspruchsvernichtend an, sondern im Gegenteil als Garantie dafür, dass der Eigentumserwerb "die Gewissheit der Umsetzung hatte und nicht im Stadium eines Gedankenspiels blieb". Sonst wären die Eigenbemühungen des Hilfesuchenden zum Scheitern verurteilt.[250]

 

Rz. 143

Wie nicht selten in solchen ergebnisorientierten Entscheidungen findet sich dort keine saubere dogmatische Ableitung. Das Ergebnis lässt jedenfalls keinesfalls den Schluss zu, dass eine freiwillige Zuwendung Dritter – und sei es auch deshalb, weil der Zuwendungsempfänger ein Mensch mit Behinderung ist – generell kein sozialhilfeschädliches Einkommen oder kein Vermögen darstellt. Erst bei einer Einzelfallprüfung mit der nachfolgenden Frage, ob das an sich anrechnungsfähige Einkommen oder Vermögen "normativ geschont" ist – was z.B. der Fall sein kann, wenn wegen Zweckverfehlung eine Härte angenommen werden kann[251] – kann die Frage beantwortet werden, ob dieses Einkommen oder Vermögen ausnahmsweise nicht sozialhilfeschädlich ist. So ist nach der Rechtsprechung die dauerhafte Zuwendung eines Dritten im Bedarfszeitraum Einkommen, das nach den §§ 82 ff. SGB XII in jedem Einzelfall auf seine Schontatbestände zu prüfen ist (z.B. § 84 SGB XII).[252]

 

Rz. 144

Darlehen, die an den Darlehensgeber zurückzuzahlen sind, stellen dagegen als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistungen kein Einkommen dar, auch wenn sie als "bereites Mittel" zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könnten.[253]

Zwischen anrechnungsfreiem Darlehen und "einkommensgleicher Unterhaltsunterstützung" oder Schenkung[254] ist im Einzelfall nur ein schmaler Grat. Um zu verhindern, dass Hilfesuchende an sich anrechnungspflichtige Zuwendungen verschleiern, stellt das BSG – wie beim Nachweis eines Treuhandverhältnisses[255] – hohe Anforderungen an den Nachweis eines anrechnungsfreien Darlehens.[256] Die Zuwendung muss bereits im Zeitpunkt ihrer Zuwendung mit einem wirksamen Rückzahlungsanspruch des Zuwendenden gekoppelt sein.

 

Rz. 145

 

Fazit

Schenkungen sollen nach der Rechtsprechung grundsätzlich immer leistungsschädliche Wirkung haben. Schenkungen in Geld, die im Bedarfszeitraum zufließen, wirken als Einkommen leistungsschädlich, wenn nicht besondere Schonvorschriften greifen.

Handelt es sich im SGB XII um Sachgeschenke, ist eine Anrechnung nach § 8 Abs. 1, 3 Abs. 3 DVO zu § 82 SGB XII vorzunehmen, wenn ein Verkauf oder eine Umwandlung in Geld möglich ist.[257]

Stets ist entscheidend, dass der Zufluss tatsächlich wirtschaftlich verfügbar ist und bedarfsbezogen verwendet werden kann[258] (Faktizitäts- und Gegenwärtigkeitsprinzip).

Eine Zuwendung kann sowohl Einkommen als auch Vermögen sein. Wird sie im Bedarfszeitraum geleistet, ist sie Einkommen nach § 82 SGB XII und als einmaliger Zufluss nach § 82 Abs. 7 SGB XII zu verteilen. Eine solche Zuwendung kann nur dann noch privilegiert sein, wenn es sog. "normative" Schontatbestände ("Schutzschirme") gib...

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