Rz. 126

In begründeten Einzelfällen kann nach § 82 Abs. 3 S. 3 SGB XII ein anderer als in § 82 Abs. 3 S. 1 SGB XII festgelegter Betrag vom Einkommen abgesetzt werden. Die Einkommensvorschriften der §§ 82 ff. SGB XII kennen – anders als § 90 Abs. 3 SGB XII zum Vermögen – keinen allgemein formulierten Härtefalltatbestand. Das BSG hat in der Vergangenheit § 82 Abs. 3 S. 3 SGB XII nicht nur als Tatbestand für Abzugsposten, sondern als Öffnungsklausel oder Auffangtatbestand, der es dem Sozialhilfeträger ermöglicht, von einer Einkommensanrechnung ganz oder teilweise abzusehen, angesehen.[235] In einer nachfolgenden Entscheidung hat das BSG dann ausgeführt:

Zitat

"§ 82 Abs. 3 S. 3 SGB XII ist dabei als generelle Härteklausel für alle denkbaren Einkommen zu verstehen, weil nur so den Gerichten und der Verwaltung die Möglichkeit eingeräumt wird, unbillige Ergebnisse zu vermeiden und bei Leistungen nach unterschiedlichen Grundsicherungssystemen eine Harmonisierung zu erreichen."[236]

 

Rz. 127

Im Falle der Anschaffung eines behindertengerechten Pkw mit zu diesem Zweck ausdrücklich zur Verfügung gestellten Stiftungsmitteln hat das BSG den Weg über § 82 Abs. 3 S. 3 SGB XII ausdrücklich beschritten. Weil die von den Stiftungen gewährten Zuwendungen (Zuschüsse und Darlehen) – auch der Höhe nach – nur zweckgebunden für den Erwerb bzw. die Umrüstung des Fahrzeugs erbracht worden seien, sei eine Berücksichtigung des Pkw als Einkommen oder als Vermögen trotz des den Verkehrswert übersteigenden Betrags für ein angemessenes Kraftfahrzeug unbillig. Ohne Anschaffung des Pkw wären keine Beträge geflossen.[237] Ob das BSG den Weg der generellen Härteklausel weitergehen wird, ist aber nicht abschließend geklärt.

 

Fazit

In speziellen Einzelfällen scheint es möglich zu sein, eine Freistellung von der Anrechnung freiwilliger Zuwendungen Dritter als Einkommen zu erreichen. Dies deutet sich insbesondere an, soweit behinderte Menschen auf die konkrete Zuwendung zur Teilhabe am allgemeinen Leben (§ 55 SGB IX) angewiesen sind und der Zuwendende die Zuwendung davon abhängig gemacht hat, dass er ansonsten nicht leisten werde. Das passt zu den Verwaltungsanordnungen (§ 2216 Abs. 2 BGB), die den Testamentsvollstrecker in Behindertentestamenten anweisen, nur diejenigen Erträge an den Erben herauszugeben, die nicht zur Reduzierung oder Aufhebung der Sozialhilfe führen. Damit würden Behindertentestamente auch sozialhilferechtlich umsetzbar sein. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt dazu aber nicht vor.

Für Bedürftigentestamente lässt sich daraus jedoch nichts ableiten, weil das SGB II eine vergleichbare Öffnungsklausel wie § 82 Abs. 3 S. 3 SGB XII nicht kennt.

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