Rz. 113

Die Fristen, innerhalb derer die Überführung stattfinden, sollen einen unproblematischen Übergang garantieren. Die Entscheidungen, die nach altem Recht im Verkehrszentralregister gespeichert worden sind und nicht mehr zu speichern wären, werden am 1.5.2014 gelöscht. Für die Feststellung, ob nicht mehr zu speichern wäre, ist die Höhe der festgesetzten Geldbuße nicht zu berücksichtigen; §65 Abs. 3 Buchst.a Alt. 1 (siehe § 7 Rdn 13).

 

Rz. 114

Merkwürdig erscheint hier allerdings, weshalb die Erkenntnis, die die Grundlage für den Gesetzesentwurf darstellt, dass es nämlich auf die verkehrssicherheitsrelevanten Verstöße ankommen soll, nicht bereits in die Umrechnung eingestellt werden soll. So sind beispielsweise Verstöße wie das Führen eines nicht versicherten KfZ aktuell erheblich punktebewehrt. Punkte für Verstöße, die nicht mehr nach FaER bewehrt sind, werden nun – nach ursprünglich anderen Plänen – nicht überführt. Dies gilt beispielsweise für einen Verstoß wegen Einfahrens in die Umweltzone ohne entsprechende Plakette oder Verstoß gegen die Versicherungspflicht. Die Überführung eben dieser (Alt-)Punkte wäre auch inkonsequent, eine Löschung wäre ein Pluspunkt, der bei der Argumentation für das FaER besonders viel Sympathie findet, weil es nämlich den Anlass zu Ende denkt und führt. Richtig ist also, Verstöße, die nicht mehr nach dem FaER eingetragen werden, gar nicht erst zu überführen, da mit der Eintragung auch die Maßnahmestufe erreicht wäre, die dann wiederum zu löschen ist. Gleiches gilt natürlich auch für die Verstöße, die gar nicht mehr punktbewehrt wären. Denn eine Schlechterstellung der alten Verstöße für den Betroffenen lässt sich nicht begründen.

 

Rz. 115

Die Rechtsprechung scheint sich davon überzeugt zu haben, dass eine "unechte Rückwirkung", die das Verwaltungsgericht Hannover[87] noch ins Spiel gebracht hatte, nicht vorliege, weil Stichtagsregelungen in sich trügen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt Sachverhalte anders behandelt werden. Der Eintritt unterschiedlicher rechtlicher Wirkungen setze nicht voraus, dass jeder Betroffene Einfluss darauf nehmen kann, unter welchen Vorschriften sein Fall zu behandeln sei.[88] Der Bayerische VGH hat in seiner Hauptsacheentscheidung vom 18.5.2015 – 11 BV 14.2839 – insoweit festgestellt: "Wären die nach dem zum Zeitpunkt des Verstoßes geltenden Recht dafür anfallenden zwei Punkte nach dem Punktsystem des §4 StVG a.F. zu den schon vorhandenen neun Punkten addiert und erst dann nach der Tabelle des §65 Abs. 3 Nr. 4 StVG umgerechnet worden, hätte der Kläger nur fünf Punkte nach neuem Recht erreicht und eine Verwarnung hätte nicht ausgesprochen werden dürfen.“" In dem Streit war nur über die Verwaltungskosten gestritten worden, das Gericht hat aber davon abgesehen, Verletzungen des Vertrauensgrundsatzes zu bejahen. Dies wurde mit der Argumentation verworfen, dass keine Verletzung des Gleichheitssatzes gegeben ist, weil die Differenzierung durch die Stichtagsregelung durch den Gesetzgeber noch sachgerecht gewesen sei[89] und ebenfalls die unechte Rückwirkung der Vorschriften nicht gegeben sei.

Ebenso verhält sich das OVG NRW, das mit seiner Entscheidung vom 20.8.2015 – 16 B 678/15 festhält, dass §65 Abs. 3 Nr. 3 S. 1 StVG nicht wegen einer Rückwirkung gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten abgeleiteten Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoße. Aber auch eine unechte Rückwirkung sei noch mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, weil bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe andererseits die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt geblieben sei. Denn das Vertrauen von wiederholt im Straßenverkehr auffällig gewordenen Verkehrsteilnehmern darauf, weiter Verkehrszuwiderhandlungen begehen zu können, ohne dass sich die daran anknüpfende Einschätzung der von ihnen ausgehenden Gefahr für die Verkehrssicherheit ändere, sei nicht oder allenfalls in ganz geringem Umfang schützenswert. Deshalb müsse der Vertrauensschutz hinter dem mit der Regelung verfolgten Anliegen zurückstehen, das in der Praktikabilität des Verwaltungshandelns begründet sei.[90] Folgerichtig ist dann auch die beantragte Entscheidung hierzu durch das Bundesverfassungsgericht nicht vorgenommen worden.[91]

 

Rz. 116

Wichtig ist dabei, dass bei Verstößen, die zu einer Hemmung der Tilgung beigetragen haben, die jeweils noch "mitgezogenen Punkte" ihrerseits entfallen. Hier ist in der Konsequenz nämlich gewollt, dass die Verstöße, die wegen der Tilgungshemmung des zu löschenden Verstoßes noch überführt werden, nicht mehr sichtbar sind: Daraus folgt, dass zu löschende Eintragungen ab dem 1.5.2014 mithin auch keine Tilgungshemmung entfalten!

 

Rz. 117

 
Praxis-Beispiel

Beispielsweise wird in 2005 eine fahrlässige Körperverletzung (einschließlich eines Fahrverbotes) begangen, dann in 2010 vor Ablauf der Tilgungsfrist ein ...

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