Rz. 50

OLG Brandenburg[46]

Um eine relative Fahruntüchtigkeit des Wagenlenkers zu bejahen, die eine Kürzung der Leistung des Vollkaskoversicherers rechtfertigt, genügt nicht allein die Feststellung einer Blutalkoholkonzentration im Bereich zwischen 0,2 und 1,1 ‰ (hier: 0,49 %). Zusätzlich müssen sich weitere speziell alkoholtypische Ausfallerscheinungen oder Fahrfehler feststellen lassen, die den Schluss rechtfertigen, dass der Fahrer nicht mehr in der Lage war, sein Fahrzeug sicher im Verkehr zu steuern. Der Unfall, der sich vormittags zwischen 10.00 und 11.00 Uhr ereignet hatte, war auf andere Ursachen als auf den Alkohol zurückzuführen. Die Wildschweinrotte hätten zwar die als Zeugen vernommenen Insassen nicht durchgängig bestätigen können, aber das spreche eher für die Glaubwürdigkeit als dagegen. Einer der Zeugen hatte schlüssig, glaubhaft und nachvollziehbar den Unfallablauf so geschildert wie vom Fahrzeugführer angegeben. Danach war er einer Rotte von Wildschweinen ausgewichen. Im Rahmen der relativen Fahruntüchtigkeit kommt der Versicherung keine Beweiserleichterung zu. Eine Kürzung der dem Kläger zustehenden Ansprüche komme daher nicht in Betracht.

 

Rz. 51

KG Berlin[47]

Der Senat hält es mit der Intention des Gesetzes, das Maß der Kürzung an die Schwere des Verschuldens zu knüpfen, für nicht vereinbar, pauschal ab einer BAK von 1,1 ‰ die Leistung vollständig zu kürzen. Es sind vielmehr auch ab 1,1 ‰ alle objektiven und subjektiven Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen und zu gewichten. Bei einer nur marginal unterhalb der Grenze der absoluten Fahruntauglichkeit liegenden festgestellten BAK von 1,05 ‰ und der Tatsache, dass der Unfallhergang für eine alkoholbedingte Ausfallerscheinung spricht, erscheint eine Leistungskürzung von 80 % angemessen.

 

Rz. 52

OLG Dresden[48]

Die Versicherungsleistung kann um 100 % gekürzt werden, wenn der Versicherungsnehmer einer Kfz-Vollkaskoversicherung das versicherte Kraftfahrzeug grob fahrlässig im Zustand der durch Alkoholgenuss herbeigeführten absoluten Fahruntüchtigkeit beschädigt hat.

 

Rz. 53

OLG Hamm[49]

Bei Vorliegen relativer Fahruntüchtigkeit (ab ca. 0,3 ‰) wird in der Regel mit einer Kürzungsquote von 50 % zu beginnen sein. Diese Quote steigt nach dem Grad der Alkoholisierung bis auf 100 % bei Erreichen der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 ‰. Die so gefundene Quote kann korrigiert werden, wenn besondere Umstände das Maß des Verschuldens in einem anderen Licht erscheinen lassen. Fährt ein Fahrzeugführer in einer Linkskurve bei 0,59 ‰ geradeaus, liegt die Einstiegsquote bei 60 %, die Endquote wegen entlastender Umstände bei 50 %.

 

Rz. 54

OLG Hamm[50]

Im Streitfall (Blutalkoholgehalt zum Unfallzeitpunkt mindestens 0,88 ‰; weitere Umstände) ist eine Leistungskürzung auf Null gerechtfertigt. (amtl. LS.). Das LG ist im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass im Bereich unterhalb der Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit die Fahruntüchtigkeit der individuellen Feststellung aufgrund von Ausfallerscheinungen oder eines festgestellten Fahrfehlers bedarf, der typischerweise durch Alkoholgenuss bedingt ist, und auf die Fahruntüchtigkeit nicht kraft eines Anscheinsbeweises geschlossen werden darf (BGH, Urt. v. 24.2.1988 – Iva ZR 193/86, VersR 1988, 733). Dieser kann erst für die Frage der Ursächlichkeit der Fahruntüchtigkeit für den Unfall herangezogen werden (Senatsurt. v. 20.1.1993 – 20 U 193/92, r+s 1993, 172). In Fällen, in denen ein Fahrer – wie hier – in Folge von alkoholbedingt erklärbarem Fehlverhalten von der Fahrbahn abkommt und gegen ein Hindernis prallt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass dies eine typische Folge der Alkoholisierung ist.

 

Rz. 55

OLG Hamm[51]

Verursacht ein Versicherungsnehmer mit einem BAK-Wert von 0,59 ‰ aufgrund eines schweren Fahrfehlers grob fahrlässig einen Versicherungsfall, darf der Versicherer die Leistung um 50 % kürzen, wenn zusätzlich in der Person des Versicherungsnehmers Umstände vorliegen, die zu seiner Entlastung führen. Hiervon ist auszugehen, wenn ein Angehöriger unter Krebs leidet und sich der Unfall auf der Fahrt ins Krankenhaus zum Besuch eines anderen Angehörigen ereignet. Ohne diese Umstände wäre eine Leistungsfreiheit von 60 % angemessen.

 

Rz. 56

OLG Hamm[52]

Kommt es aufgrund einer relativen Fahruntüchtigkeit ab ca. 0,3 ‰ zu einem Verkehrsunfall, ist grundsätzlich im Rahmen der Leistungskürzung der Versicherung mit einer Einstiegsquote von 50 % zu beginnen. Zwar hat die Bekl. in Ziffer A.2.8.1. Absatz 2 der vereinbarten "Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2008)" gegenüber der Kl. bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit verzichtet. Nach Absatz 3 Satz 1 dieser AVB gilt dieser Verzicht jedoch nicht bei Herbeiführung des Versicherungsfalls infolge des Genusses alkoholischer Getränke. In diesem Fall hat sich die Bekl. in Absatz 3 Satz 2 das Recht "zur Kürzung" in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Ve...

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