Rz. 27

Die Nutzungsrechte und Lastentragungspflichten des Nießbrauchers ähneln von ihrem wirtschaftlichen Ergebnis her der Vorerbschaft. Rechtlich differieren sie jedoch deutlich. Während der Vorerbe im Rahmen der Einschränkungen nach §§ 21132115 BGB über die Nachlassgegenstände frei verfügen kann, § 2112 BGB, ist der Nießbraucher von Gesetzes wegen mit Ausnahme der §§ 1074, 1077 und 1087 Abs. 2 BGB weitgehend von Verfügungen über Nachlassgegenstände ausgeschlossen.[40] Auch die Haftung differiert erheblich. Der Vorerbe ist nur für die Erhaltung der wertmäßigen Substanz des Nachlasses verantwortlich, nicht für die Erhaltung der konkreten Nachlassgegenstände, im Übrigen auch noch gemindert auf den Sorgfältigkeitsmaßstab des § 277 BGB. Der Nießbraucher hingegen haftet voll auf die Erhaltung der wirtschaftlichen Bestimmung und Sachsubstanz. In der Praxis wird die Einräumung eines Nießbrauchsvermächtnisses häufig bei der Versorgung älterer Menschen, beispielsweise des überlebenden Ehegatten, erwogen, insbesondere wenn die Anordnung einer Testamentsvollstreckung wegen der darin gesehenen "Bevormundung" des älteren Menschen als nicht tunlich oder unnötig kompliziert angesehen wird.

 

Rz. 28

Denkbar ist natürlich auch die Kombination des Nießbrauchsvermächtnisses mit der Testamentsvollstreckung. Durch die Verknüpfung des Nießbrauchs mit der umfassenden Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers wird das Nießbrauchsvermächtnis von der wirtschaftlichen Auswirkung her wieder mehr der Vorerbschaft angenähert. Es wird aber in der Handhabung als weniger kompliziert angesehen. Allerdings ist bei der Testamentsformulierung höchste Aufmerksamkeit geboten, damit nicht eine spätere Auslegung zur Annahme einer Vor- und Nacherbschaft führt, die eigentlich gerade vermieden werden sollte.

 

Praxishinweis

Generell empfiehlt sich angesichts der Kreativität mancher Nachlassgerichte bei der Testamentsauslegung explizit in der letztwilligen Verfügung festzuhalten, welches Verständnis ausdrücklich nicht gewollt ist. Beispiel: "Eine Vor- und Nacherbschaft ist ausgeschlossen."

[40] Vgl. weiterführend Schlieper, MittRhNotK 1995, 249.

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