A. Die Vorteile des Ehevertrags
Rz. 1
Ein Ehevertrag ist geeignet,
▪ | Kosten zu sparen |
▪ | Zeit zu gewinnen und |
▪ | psychische Belastungen sowie |
▪ | eine Aggressions[1]- und Eskalationsspirale zu vermeiden |
▪ | und eine endgültige Gesamtbereinigung und Abwicklung der Ehe ohne künftigen weiteren Streit zu gewähren ("Clean break"[2]). |
Rz. 2
Hinweis
Erheblich erweiterte Gestaltungsmöglichkeiten:
Der Vertrag bietet Regelungsmöglichkeiten, die das Gesetz überhaupt nicht eröffnet.
Rz. 3
Beispiel Zugewinnausgleich
Nach dem Gesetz kann grundsätzlich nur ein finanzieller Ausgleich verlangt werden (§ 1578 Abs. 1 BGB). Die Eigentumslage bleibt grundsätzlich unberührt (seltene Ausnahme: § 1383 BGB).
In einem Ehe- oder Scheidungsfolgenvertrag kann stattdessen zum Zweck des Zugewinnausgleichs eine dingliche Übertragung von Vermögensgegenständen vereinbart werden.
Rz. 4
In einem Ehevertrag können Scheidungsfolgesachen, sonstige Familiensachen i.S.v. § 266 FamFG, die keine Scheidungsfolgesachen sind und Sachen, die überhaupt keine Familiensachen sind, miteinander "verbunden" und einer gemeinsamen Gesamtregelung zugeführt werden.
Rz. 5
Beispiel
Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs gegen Übertragung des Eigentums an einer Immobilie.
B. Keine Eheverträge "von der Stange" bzw. nur aus dem Formularbuch
Rz. 6
Eheverträge bedürfen eines Blicks in die Vergangenheit (Beispiel: wer hat welche Berufsausbildung, welches Vermögen ist bereits vorhanden?), einer Analyse der Gegenwart (besteht eine Schwangerschaft?) sowie eines Blicks in die Zukunft (wird ein Ehegatte das elterliche Unternehmen erben und fortführen?). Es ist hochgradig unwahrscheinlich, dass ein Fachanwalt überhaupt jemals zwei vollkommen identische und regelungsbedürftige Mandate zu bearbeiten hat. Eheverträge sind daher keine "Konfektionsware".[3]
Rz. 7
Damit ist nicht gesagt, dass man nicht – etwa bei zu vereinbarender Gütertrennung – formell mit dem Gesetzeswortlaut (z.B. § 1408 Abs. 1 BGB oder § 1414 BGB) arbeiten kann und sollte. Es kommt vielmehr darauf an, welches inhaltlich die zu empfehlende Regelung ist, z.B. – anstatt der Gütertrennung – ein in bestimmter Weise modifizierter Zugewinnausgleich.
Grundsatz
Die individuelle, "maßgeschneiderte" Vertragsgestaltung geht dem Formularbuch vor. (Gleichwohl sind Formularbücher eine wertvolle Arbeitshilfe).
C. Feststellung und Ausschöpfung des optimalen Regelungsrahmens bei der Vertragsgestaltung
Rz. 8
Praxistipp
Die Grobstruktur des anwaltlichen Vorgehens ist folgende:
1. Mandantenwunsch – was will der Mandant?
Welchen Vertrag möchte er in Auftrag geben?
Beispiel
Der Mandant wünscht einen Globalverzicht incl. Verzicht auf den Versorgungsausgleich, nachehelichen Unterhalt und Gütertrennung. Die Verlobten haben bereits ein gemeinsames Kind im Alter von 3 Jahren. F ist schwanger und beide planen weiteren Nachwuchs. Sie wollen eine Hausfrauenehe führen.
2. Zweckmäßigkeitsprüfung durch den Fachanwalt – was ist gut für den Mandanten?
Die Regelung ist hinsichtlich der Gütertrennung aus steuerlichen und erbrechtlichen Gründen unzweckmäßig. Besser ist eine Modifikation des Zugewinnausgleichs (vgl. § 9 Rdn 319 ff.).
3. Rechtmäßigkeitsprüfung durch den Fachanwalt – was ist möglich für den Mandanten?
Ein Vertrag entsprechend dem Mandantenwunsch wird schon hinsichtlich des Unterhaltsverzichts, der auch einen Verzicht auf Kindesbetreuungsunterhalt einschließt, einer Vertragskontrolle nicht standhalten. Er ist sittenwidrig, weil aus der Beziehung bereits ein betreuungsbedürftigen Kind hervorgegangen und F schwanger ist.[4] Nach dem vorgesehenen Ehemodell ist bereits jetzt absehbar, dass F im Scheidungsfall unterhaltsbedürftig sein wird.
D. Zusammenschau/Schlussfolgerung
Rz. 9
Rz. 10
Es ist also zu erfragen, ob der Mandant eigene Vorstellungen und Wünsche oder Anregungen hat. Anschließend ist die interessengerechte Lösung zu suchen, mit den Mandantenwünschen abzustimmen und auf das rechtlich Machbare zu reduzieren.
Rz. 11
Praxistipp
Vorsicht bei rechtswidrigen Klauseln!
Beispiel
M will trotz mündlicher Belehrung über §§ 1361 Abs. 4, 1360a Abs. 3, 1614 BGB – neben einer restriktiven Regelung über den nachehelichen Unterhalt – unbedingt mit F vereinbaren, dass für den Fall einer Trennung auf Trennungsunterhalt verzichtet wird. RA entwirft einen entsprechenden Vertrag, der noch weitere Regelungen enthält, insbesondere einen Verzicht der F auf den Ausgleich erheblicher vorehelicher Vermögenszuwendungen,[5] und belehrt M nochmals schriftlich. Beide Ehegatten unterschreiben.
Nach 11 Jahren kommt es zur Trennung. M beruft sich auf den Vertrag und verliert nicht nur den Trennungsunterhaltsprozess, sondern – wegen § 139 BGB – auch das Verfahren hinsichtlich der Zuwendungen. M behauptet wahrheitswidrig eine anwaltliche Falschberatung. Über das Verbot des Verzichts auf Trennungsunterhalt sei er von RA nicht belehrt worden. Er legt nur den Vertragsentwurf des RA vor, unterdrückt aber dessen Begleitschreiben. RA kann das Gegenteil nicht beweisen, da seine Akten vernichtet sind.
Variante
M stirbt in der Trennungszeit. F ...
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