Rz. 1524

Eine normale Weiterentwicklung des in der Ehe angelegten Erwerbseinkommens liegt vor, wenn der für eine Einkommenssteigerung entscheidende berufliche Aufstieg noch vor der Trennung lag.

 

Rz. 1525

Für den Zeitpunkt nach der Trennung gilt dies nicht, da eine gemeinsame Weiterentwicklung nach Trennung der Beteiligten nicht mehr vorliegt. Prägend bleibt aber, wenn sich das Einkommen im Zuge allgemeiner Einkommenssteigerungen nach der Trennung erhöht.[1645] Entsprechendes gilt auch bei Einkommensminderungen, es sei denn, sie beruhen auf unterhaltsbezogen leichtfertigem Verhalten, also der Verletzung der Erwerbsobliegenheit etc.

 

Rz. 1526

Eine Normalentwicklung liegt weiter vor, wenn vor der Trennung der Grundstein für den späteren beruflichen Werdegang gelegt wurde. Hat also der Verpflichtet vor der Trennung einen wesentlichen Teil seiner juristischen Ausbildung abgeschlossen und beginnt er nach der Scheidung seine Tätigkeit als Rechtsanwalt, ist eine normale Entwicklung zu bejahen.[1646]

 

Rz. 1527

Kommt es dagegen nach Trennung aufgrund außergewöhnlicher, nicht vorauszusehender Umstände zu einer unerwarteten, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung, sind die neuen Einkommensverhältnisse nicht mehr prägend. Sie sind nicht mehr Ausdruck der früheren eheähnlichen Lebensverhältnisse und haben diese auch nicht maßgeblich bestimmt.[1647]

 

Rz. 1528

Prüfungszeitpunkt für die in der Ehe angelegte oder eben nicht angelegte Einkommensentwicklung bleibt die Trennung.[1648] Da zu diesem Zeitpunkt kein gemeinsames Wirtschaften und keine gemeinsame Planung mehr vorhanden sind.

Bei der Berechnung ist nicht in der Ehe angelegt der Mehrverdienst, der wegen der vom Normalverlauf abweichenden Entwicklung erzielt wird. Die Einkommenssteigerung bleibt daher nicht in vollem Umfang unberücksichtigt.[1649] Es wird nur der Betrag in Höhe des fiktiv hochgerechneten früheren Einkommens (ggf. zzgl. Regelbeförderung) ohne Karrieresprung berücksichtigt.

 

Rz. 1529

 

Beispiele

Aufstieg von Krankenschwester zur Verwaltungsleiterin eines Krankenhauses;
Aufstieg vom Oberarzt zum Chefarzt;[1650]
Aufstieg vom Beigeordneten einer Stadt zum Kreisdirektor;[1651]
Aufstieg vom wissenschaftlichen Angestellten zum Professor;[1652]
Aufstieg vom Angestellten zum Bereichsleiter mit Verdoppelung des Einkommens.[1653]
 

Rz. 1530

 

Grenzwertig

Aufstieg vom Oberstudienrat (A 14) zum Studiendirektor (A 15);[1654]
Aufstieg Richter von R 2 in R 3;[1655]
Aufstieg vom Buchdrucker zum freigestellten Betriebsrat.[1656]

Problematisch war auch die Einordnung als Karrieresprung bei Übernahme von Tätigkeiten westdeutscher Fachleute in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung Deutschlands, z.B. der Aufstieg vom Finanzbeamten im gehobenen Dienst zum Leiter eines Finanzamtes in Sachsen-Anhalt.[1657]

 

Rz. 1531

Einkommensveränderungen früherer DDR-Bürger nach der Wiedervereinigung sind ebenfalls als in der Ehe angelegt anzusehen.[1658] Die Fortschreibung früherer Einkünfte wäre schon wegen der völlig unterschiedlichen Wirtschaftssysteme zwischen der früheren DDR und der BRD und der damit einhergehenden völlig unterschiedlichen beruflichen Lebensverhältnisse nicht geeignet, einen Vergleichsmaßstab zu den Arbeitsverhältnissen zu ziehen, die nach der Wiedervereinigung Deutschlands auch im Gebiet der früheren DDR entwickelt wurden.

 

Rz. 1532

Prägend sind auch die Veränderungen des gesamten Lohn-Preis-Gefüges, die sich auch nach der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern im Laufe der Jahre nach der Wiedervereinigung entwickelt haben.[1659]

 

Rz. 1533

Die Flucht eines Ehepartners aus der früheren DDR, die zur Scheidung führte, war dagegen unterhaltsrechtlich nicht geeignet, als in der Ehe angelegt gelten zu können. Hier ist der Ehepartner von einem Wirtschaftssystem in ein gänzlich anderes Wirtschaftssystem geflohen. Die Einkünfte nach Trennung und Flucht gelten als eine nicht in der Ehe angelegte Einkommensentwicklung.[1660]

 

Rz. 1534

 

Fallbeispiel: Unterhaltsberechnung bei Karrieresprung

1. Fall: Karrieresprung des Unterhaltspflichtigen nach Scheidung

 
Eink. des Pflichtigen aufgrund Karrieresprungs 5.000 EUR
Fiktives Einkommen ohne Karrieresprung heute 3.000 EUR
Bereinigtes Einkommen des Berechtigten 1.000 EUR
Bedarf: 3.000 EUR + 1.000 EUR = 4.000 EUR : 2 = 2.000 EUR
Anspruch: 2.000 EUR ./. 1.000 EUR = 1.000 EUR

2. Fall: Karrieresprung des Unterhaltsberechtigten nach Scheidung

 
Bereinigtes Einkommen des Pflichtigen 3.000 EUR
Bereinigtes Eink. des Berechtigten aufgrund Karrieresprungs 2.000 EUR
Eink. des Berechtigten ohne Karrieresprung 1.000 EUR
Bedarf: 3.000 EUR + 1.000 EUR = 4.000 EUR : 2 = 2.000 EUR
Anspruch: 2.000 EUR ./. 1.000 EUR ohne Karrieresprung 1.000 EUR
Anrechnung des Mehreinkommens durch Karrieresprung 1.000 EUR
Anspruch: 0 EUR
[1645] BGH FamRZ 1987, 459.
[1646] BGH FamRZ 1986, 148.
[1647] BGH FamRZ 2009, 579; BGH FamRZ 2010, 871.
[1649] BGH FamRZ 1987, 913, 915.
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