Rz. 607

Ein getrenntlebender Ehegatte ist in der Regel, soweit er keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausübt und dadurch selbst krankenversichert ist, in der Familienversicherung nach § 10 SGB V mitversichert. Eine Notwendigkeit für die Geltendmachung von Krankenvorsorgeunterhalt besteht in diesen Fällen bei Getrenntleben nicht.

 

Rz. 608

Übersteigt das Einkommen des Verpflichteten jedoch die Freigrenzen des § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V oder ist der Verpflichtete hauptberuflich selbstständig tätig, § 10 Abs. 1 Nr. 4 SGB V, entsteht der Anspruch auf Ersatz angemessener Kosten für eine Krankenversicherung.

 

Rz. 609

Besteht eine private Krankenversicherung des unterhaltsberechtigten Ehegatten, hat der Pflichtige die Beiträge weiter zu zahlen. Besteht ausnahmsweise kein angemessener Krankenversicherungsschutz des Berechtigten, kann dieser nach § 1361 BGB auch einen Krankenvorsorgeunterhalt verlangen, obwohl dieser Bereich – anders als in § 1378 Abs. 2 BGB für die Zeit nach Scheidung der Ehe – in § 1361 BGB nicht ausdrücklich erwähnt ist. Die Leistungen auf Krankenvorsorge gehören zum angemessenen Unterhalt im Sinne des § 1361 BGB, wenn Trennungsunterhalt geschuldet ist, also eine gesetzlich definierte Bedürfnislage überhaupt vorhanden ist.

 

Rz. 610

Die Berechnung der Aufwendungen erfolgt wie beim nachehelichen Unterhalt zweistufig. Vor der Berechnung des Quotenunterhalts ist der Krankheitsvorsorgeunterhalt mit dem entsprechenden Beitragssatz der Krankenkasse vom Nettoeinkommen des Verpflichteten abzuziehen. Dies gilt ebenso für die Aufwendungen betr. Pflegeversicherung.

 

Rz. 611

 

Beispiel

 
Einkommen des Verpflichteten (ohne eigene Krankenversicherungskosten) 2.800 EUR
(vorläufige) Unterhaltsquote der Berechtigten: 2.800 EUR x 45 % = 1.260 EUR
Krankenvorsorge (Beitragssatz 14,6 %[659]): 1.260 EUR x 14,6 % = 184 EUR
abzgl. Krankenvorsorge 184 EUR
bereinigtes Nettoeinkommen des Verpflichteten 2.616 EUR
x Unterhaltsquote x 45 %  
endgültiger Elementarunterhalt 1.177 EUR

Die Unterhaltsberechtigte erhält im Beispiel 184 EUR Krankenvorsorge- und 1.177 EUR Elementarunterhalt, insgesamt 1.361 EUR.

In der Praxis wird hier der Pflegevorsorgeunterhalt (3,05 %) einzubeziehen sein, so dass an Vorsorge derzeit der Betrag von 17,65 % einzusetzen ist. Dies ergibt nach dem obigen Beispiel folgende Berechnung:

 
Kranken- u. Pflegevorsorge (17,65 %): 1.260 EUR x 17,65 % = 222,39 EUR
Einkommen des Verpflichteten 2.800,00 EUR
Abzgl. Kranken- u. Pflegevorsorge 222,39 EUR
Bereinigtes Nettoeinkommen des Verpflichteten 2.577,61EUR
45 % Unterhaltsquote 1.159,92 EUR

Die Unterhaltsberechtigte erhält im Beispiel daher 222 EUR Krankenvorsorge- und Pflegevorsorgeunterhalt und 1.160 EUR Elementarunterhalt, insgesamt 1.382 EUR.

 

Rz. 612

In der Literatur wird die – abzulehnende – Auffassung vertreten, dass diese Berechnungsmethode, die auf eine Grundentscheidung des BGH[660] zurückgeht, zu ungenauen Ergebnissen führen kann.[661]

 

Rz. 613

Die Berechnung des Vorsorgeunterhalts erfolgt ohne Begrenzung durch die Beitragsbemessungsgrenze.[662]

 

Rz. 614

Eine zweistufige Berechnung zur Ermittlung des endgültig zu zahlenden Elementarunterhalts kann jedoch in denjenigen Fällen unterbleiben, in denen das Halbteilungsprinzip nicht tangiert wird oder, wie bei der konkreten Bedarfsbemessung, Krankenvorsorgeteil des Gesamtbedarfs ist.

Daher unterbleibt eine zweistufige Berechnung

bei konkreter Bedarfsbemessung,
bei einkommensunabhängiger Berechnung des Krankenvorsorgeunterhalts (Privatversicherung),
bei Verrechnung des Krankenvorsorgeunterhalts mit nicht bedarfsbestimmenden Einkünften des Berechtigten,
wenn Krankenvorsorgeunterhalt aus nicht bedarfsbestimmenden Einkünften des Verpflichteten bezahlt werden können.

Rechenbeispiel für Verrechnung des Krankheitsvorsorgeunterhalts nicht bedarfsbestimmenden Einkünften des Berechtigten:[663]

 

Rz. 615

 

Beispiel

Erwerbseinkommen M 3.500 EUR; Krankheitsvorsorgeunterhalt F 200 EUR; nicht bedarfsbestimmende Zinseinkünfte F 400 EUR.

 
Quotenbedarf der F 3.500 EUR x 45 % = 1.575 EUR
voller Bedarf der F 1.500 EUR zzgl. 200 EUR = 1.775 EUR

Das anzurechnende Zinseinkommen von F in Höhe von 400 EUR entlastet M soweit, dass er die Krankheitsvorsorge für F in Höhe von 200 EUR zusätzlich zum Elementarunterhalt zahlen kann.

 

Rz. 616

 

Rechenbeispiel zu nicht bedarfsbestimmenden Einkünften des Verpflichteten

Erwerbseinkommen M 3.500 EUR; nicht bedarfsbestimmende Zinseinkünfte M 200 EUR; Krankenvorsorgeunterhalt F 200 EUR.

 
Quotenbedarf der F 3.500 EUR x 45 % = 1.575 EUR
voller Bedarf F = 1.575 EUR zzgl. 200 EUR = 1.775 EUR
 

Rz. 617

Das Ergebnis muss insgesamt jedoch auch angemessen sein.

Sind die Vorsorgeunterhaltsbeiträge im Verhältnis zum Elementarunterhalt sehr hoch, kann der gesamte Unterhalt in einer den Interessen beider Beteiligter gerecht werdenden Weise abweichend auf die verschiedenen Unterhaltsbestandteile verteilt werden.[664] Dabei sind die Rangverhältnisse, namentlich der Nachrang hinsichtlich des Altersvorsorgeunterhalts gegenüber de...

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