Rz. 123

Der Familienunterhalt dient der Deckung des gesamten Lebensbedarfs der Ehegatten und der Kinder, also der gesamten Familie. Der Familienunterhalt nach § 1360a Abs. 1 BGB umfasst daher alles, was nach den ehelichen Lebensverhältnissen, insbesondere den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten erforderlich und angemessen ist, um die Kosten des Haushaltes, die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der zum Haushalt gehörenden Kinder zu bestreiten.[133] Entscheidend für die Höhe des Familienunterhaltes ist der gegebene wirtschaftliche und soziale Rahmen, der sich aus der beruflichen und – ggf. selbst gewählten – sozialen Stellung der Beteiligten ergibt.[134]

 

Rz. 124

Pikulinski[135] hat versucht, den inhaltlichen Zusammenhang des Anspruchs auf den Familienunterhalt mit der ehelichen Lebensgemeinschaft in einer Formel auszudrücken und erklärt, diese Formel bezeichne "bildlich den Inhalt" von § 1360a BGB.

U = V % (E + (K1 + K2 + … Kn) + H)

Dabei gilt:

U – der Angemessene Familienunterhalt
V – die Verhältnisse der Ehegatten
E – die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten
K – der Lebensbedarf eines Kindes
n – die Zahl der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder
H – die Kosten des Haushalts

Die Formel mag in manchen Fällen eine Bestimmung des angemessenen Familienunterhalts im Einzelfall erleichtern.

Im Regelfall wird jedoch differenzierter zum Familienbedarf bestimmt werden müssen.

 

Rz. 125

Zu den Aufwendungen für die Deckung des Familienbedarfs gehören:

Aufwendungen für Wohnen
Aufwendungen für Haushalt, also z.B. Verpflegung, Kleidung, Reinigung, Körper- und Gesundheitspflege
Aufwendungen für Urlaub, Erholung und Freizeitgestaltung
Beiträge für Vereine, Verbände etc.
Aufwendungen für Versicherungen
Aufwendungen für Krankheits- und Altersvorsorge
Aufwendungen für Fahrtkosten, ggf. Kfz-Kosten
Kosten für Krankheit, Pflege und Betreuung
Aufwendungen für persönliche Bedürfnisse der Familie, z.B. Sport, Hobbies etc.
ggf. Tilgung von Schulden, z.B. zur Finanzierung eines Familienheims oder Pkw
 

Rz. 126

Schulden mindern das für den Familienunterhalt zur Verfügung stehende Einkommen.

Es kommt nicht darauf an, wann und aus welchem Grund die Schulden entstanden sind; es ist nicht entscheidend, ob sie bereits bei Eingehung der Ehe bestanden und ob Sucht, Erkrankung, Verschwendung oder andere Gründe, gleichgültig ob vorwerfbar oder nicht, zu den Schulden geführt haben. Unvernünftiges oder vorwerfbares Verhalten ist mitzutragen. Solches Verhalten kann jedoch zur – ggf. umfangreicheren – Erwerbsobliegenheit des betroffenen Ehegatten führen.[136]

 

Rz. 127

Unterhaltsansprüche sonstiger Verwandter gehören nicht zum Lebensbedarf eines Ehegatten im Sinne des § 1360a Abs. 1 BGB. Vorrangige Unterhaltsansprüche mindern jedoch das für den Familienunterhalt zur Verfügung stehenden Einkommen. Minderjährige oder privilegiert volljährige Kinder aus einer anderen Verbindung sind gem. § 1609 Nr. 1 BGB vorrangig unterhaltsberechtigt. Diese Ansprüche sind vorab zu befriedigen und mindern das für den Familienunterhalt zur Verfügung stehende Einkommen.

 

Rz. 128

Nachrangige Unterhaltsberechtigte sind dann zu berücksichtigen, wenn das Einkommen eines Ehegatten seinen Beitrag zum Familienunterhalt übersteigt.[137]

 

Rz. 129

Trotz der grundsätzlich frei zu vereinbarenden Aufteilung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit in einer Ehe kann ein Ehegatte nicht verlangen und der Pflichtige nicht durchsetzen, dass er in der neuen Ehe unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit nur die Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernimmt, wenn eine vorrangige oder auch gleichrangige Unterhaltsverpflichtung z.B. gegenüber minderjährigen oder privilegiert volljährigen Kindern aus früherer Ehe besteht. Der zweite Ehegatte hat dem Unterhaltspflichtigen durch eine Teilübernahme häuslicher Aufgaben die Möglichkeit zu verschaffen, seine Arbeitskraft nicht vollständig für Mitglieder der neuen Familien zu verwenden, sondern auch dem Unterhalt für Kinder im Sinne des § 1609 Nr. 1 zu widmen.[138] Ggf. ist es dem Unterhaltspflichtigen zuzumuten, sich die Erwerbsmöglichkeit durch den Einsatz einer Hilfskraft für den Haushalt zu verschaffen.[139]

 

Rz. 130

Ist eine Rollenverteilung dagegen hinzunehmen, erzielt aber der Verpflichtete tatsächlich Einkünfte, z.B. aus Nebentätigkeit, muss er diese für den Unterhalt der Kinder gem. § 1609 Nr. 1 BGB einsetzen. Dies gilt aber nur dann, wenn sein eigener Bedarf durch den vom zweiten Ehegatten gewährten Familienunterhalt gedeckt ist.[140]

 

Rz. 131

Letztlich führt dies dazu, dass der zweite Ehegatte in der Lage sein muss,

den Eigenbedarf,
den Bedarf seines Haushalt führenden Ehepartners, der Kindern aus erster Ehe unterhaltspflichtig ist, sowie
den Bedarf minderjähriger Kinder aus der neuen Ehe aufzubringen.
 

Rz. 132

Der Selbstbehalt dieses zweiten Ehegatten sollte dabei aber den eigenen angemessenen Unterhalt im Sinne des § 1603 Abs. 1 BGB nicht unterschreiten.[141] Unter diesem Se...

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