Rz. 7

Kontaktiert ein Verbraucher einen Rechtsanwalt (z.B. über Anwaltssuchdienste, Google-Recherche etc.) per E-Mail oder Fax und bestätigt dieser anschließend das Mandat per E-Mail, Fax und/oder Telefon, kann es sich grundsätzlich um einen Fall des § 312c BGB mit entsprechender Belehrungspflicht nach § 312d Abs. 1 BGB, Art. 246a EGBGB handeln. Die Voraussetzungen hierfür, nämlich ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem, liegen regelmäßig aber nicht schon dann vor, wenn der Rechtsanwalt lediglich die technischen Möglichkeiten zum Abschluss eines Anwaltsvertrags im Fernabsatz wie Briefkasten, elektronische Postfächer und/oder Telefon- und Faxanschlüsse vorhält. Ein für den Fernabsatz organisierter Strukturvertrieb setzt vielmehr voraus, dass der Rechtsanwalt nicht nur die personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen hat, die notwendig sind, um regelmäßig Geschäfte im Fernabsatz zu bewältigen, sondern dass er sich bewusst dieses Systems bedient hat, um eine Vielzahl von Mandaten in bestimmten Fällen ohne persönlichen Kontakt zu den potentiellen Mandanten und unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zu gewinnen.[6]

 

Rz. 8

Weil ein Rechtsanwaltsvertrag eine Geschäftsbesorgung mit dem Kern eines Dienstvertrages darstellt, könnte der Verbraucher nach § 312d Abs. 6 BGB abweichend von § 357 Abs. 1 BGB Wertersatz für die erbrachte Dienstleistung nur zu leisten haben, wenn er vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist und ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Anwalt vor dem Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung seiner Dienstleistung beginnt. Selbst eine Mandatsannahme per Brief würde nichts ändern, § 312b Abs. 2 BGB. Heikel sind speziell Zeithonorarvereinbarungen. Diese könnten ggf. nachträglich und völlig unproblematisch durch den Widerruf des Mandanten beseitigt werden.

 

Rz. 9

Konsequenterweise müsste der Rechtsanwalt also seinen potentiellen Klienten belehren, auf die Rechtsfolge des § 357 BGB hinweisen und dessen ausdrückliche Aufforderung für den Beginn der Fallbearbeitung einholen, auch wenn diese Formalien einer zügigen Fallbearbeitung entgegenstehen und ein Widerruf durch Mandanten in der Praxis eher selten sein dürfte.[7]

 

Rz. 10

Ggf. hilft § 312d Abs. 3 BGB, wonach das Widerrufsrecht bei einer Dienstleistung auch dann erlischt, wenn der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt ist, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat.

[6] BGH, Urt. v. 23.11.2017 – IX ZR 204/16, juris = AnwBl 2018, 166–167 (Leitsatz und Gründe).
[7] Bräuer, Fernabsatzvertrag & Co. – müssen Anwälte sich warm anziehen? Das Widerrufsrecht des Mandanten – und wie es vermieden werden kann, AnwBl 2015, 970 f.

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