Rz. 1

Schon bei der Vergabe eines Besprechungstermins ist primär eine Kollisionsprüfung vorzunehmen, durch welche sichergestellt wird, dass keine Mandate angenommen werden, bei denen ein Interessenkonflikt bestehen kann, § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 bis 3 BORA, § 356 Abs. 1 StGB. In seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt darf dieser in derselben Rechtssache nicht (gleichzeitig oder nacheinander) zwei oder mehr Parteien beraten und/oder vertreten, deren Interessen (in dieser Rechtssache) zuwiderlaufen.

 

Rz. 2

§ 43a Abs. 4 BRAO und § 3 Abs. 1 BORA verbieten bereits einen fahrlässigen Pflichtenverstoß, während die Verwirklichung des § 356 StGB Vorsatz erfordert. Zudem stellt § 356 StGB nur das Verhalten des einzelnen Rechtsanwalts unter Strafe, hingegen erfassen § 43a Abs. 4 BRAO[1] und § 3 BORA[2] auch die Sozien.

In eindeutiger Weise hat der BGH[3] klargestellt:

Zitat

Ein Anwaltsvertrag, mit dessen Abschluss der Rechtsanwalt gegen das Verbot verstößt, widerstreitende Interessen zu vertreten, ist nichtig.

Gesetz im Sinne des § 134 BGB ist jede Rechtsnorm (vgl. Art. 2 EGBGB). Dass es sich bei § 43a Abs. 4 BRAO um eine berufsrechtliche, keine zivilrechtliche Bestimmung handelt, steht der Anwendung des § 134 BGB daher nicht entgegen.

(...) Wie gezeigt, schützt die Vorschrift des § 43a Abs. 4 BRAO jedoch nicht nur die Interessen des jeweils betroffenen Mandanten, sondern auch die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse der Rechtspflege gebotene Gradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung (BT-Drucks 12/4993, S. 27). Hierüber können die jeweiligen Vertragsparteien nicht verfügen. Die Vorschrift des § 43a Abs. 4 BRAO ist nicht abdingbar.“

 

Rz. 3

Zu prüfen ist daher vor jeder Mandatsannahme, ob die Gegenpartei bereits (früher einmal) Mandant (gewesen) ist. Ist dies der Fall, ist Vorsicht geboten. Nachzuforschen ist dann weiter, ob es sich um eine Sachverhaltsidentität/dieselbe Rechtssache handelt.

 

Rz. 4

Auch im Lauf eines Verfahrens bedarf es ggf. der Prüfung, ob ein Interessenkonflikt entstanden ist. So macht sich z.B. ein Rechtsanwalt, der mehrere Kläger vertritt und auf den Abschluss eines Vergleichs dringt, obwohl sich ein Teil seiner Mandanten ausdrücklich dagegen ausgesprochen hat, eines Parteiverrats strafbar, selbst dann, wenn er glaubt, dass der Vergleich für alle seine Mandanten vorteilhaft ist. Der Rechtsanwalt hätte alle Mandate niederlegen müssen, sobald der Interessenkonflikt in der Klägergemeinschaft offenbar wurde.[4]

[2] Das Verbot des § 3 Abs. 1 BORA gilt auch für alle verbundenen Rechtsanwälte in derselben Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft, gleich welcher Rechts- oder Organisationsform, sowie für den Fall, dass der Rechtsanwalt von einer Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft zu einer anderen Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft wechselt, § 3 Abs. 2 und 3 BORA.
[3] BGH, Urt. v. 12.12.2016 – IX ZR 241/14, juris Leitsatz und Rn 7, 9, 12.
[4] BGH, Beschl. v. 21.11.2018 – 4StR 15/18. Der angeklagte Rechtsanwalt hatte eine Klägergemeinschaft vor dem BVerwG vertreten, deren Interessen im Prozessverlauf auseinanderfielen. Schließlich kämpfte er für einen Vergleichsabschluss unter Missachtung der Weisung eines Teils seiner Mandanten. Der Rechtsanwalt darf sich aber nicht als Organ der Rechtspflege "vom Sachwalter seines Auftraggebers zu dessen Richter aufwerfen"; Anmerkung der Redaktion AnwBl Online 2019, 96.

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