Rz. 1

Relativ kurze Zeit nach dem Erbfall sind wichtige Entscheidungen zu treffen. Der im Erbrecht tätige Rechtsanwalt bewegt sich daher – häufig unter einem gewissen Zeitdruck – in einem haftungsträchtigen Umfeld, etwa bei der Beratung über die Ausschlagung der Erbschaft oder bei der Durchführung von Testamentsvollstreckungen. Aber auch im Vorfeld des Erbfalls – beispielsweise bei der Gestaltung von Unternehmensnachfolgen – ist das Haftungsrisiko beträchtlich.

 

Rz. 2

In allen Fragen der Anwaltshaftung ist zunächst zu unterscheiden, ob der jeweilige Vertragspartner des Rechtsanwalts, also der Mandant, selbst einen Ersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt geltend macht oder ob es sich bei dem Anspruchsteller um einen Dritten handelt, der nicht unmittelbarer Vertragspartner ist. Denn anders als bei der Haftung des Notars[1] fehlt es für die Haftung des Rechtsanwalts größtenteils an ausdrücklichen spezialgesetzlichen Regelungen; Ausnahme ist § 44 S. 2 BRAO. Außerdem enthält § 51 BRAO das Gebot der Pflichtversicherung des Rechtsanwalts und in § 52 BRAO sind die Regelungen zur Beschränkung der Haftung niedergelegt.

 

Rz. 3

Zentrale Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsanwalt ist § 280 Abs. 1 S. 1 BGB.[2] Voraussetzung für eine Haftung des Rechtsanwalts ist, dass zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten

ein Anwaltsvertrag zustande gekommen ist und
der Rechtsanwalt schuldhaft eine Pflichtverletzung begangen hat,
die ursächlich für
die Entstehung eines Schadens beim Mandanten war.[3]
 

Rz. 4

Anspruchsgrundlage für vorvertragliche Pflichtverletzungen, die vor der Schuldrechtsreform über das Institut der culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss) gelöst wurden, ist § 311 Abs. 2 BGB. Allerdings ist die vorvertragliche Haftung für den Fall der Nichtannahme eines Auftrages durch § 44 S. 2 BRAO spezialgesetzlich geregelt. Dieser greift ein, wenn der Rechtsanwalt die Ablehnung des ihm angetragenen Auftrages nicht unverzüglich erklärt. Im Übrigen muss der Rechtsanwalt gemäß § 311 Abs. 2 BGB für die Verletzung von Pflichten, die sich aus einem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis ergeben, einstehen.

 

Fallbeispiel

Bei Anbahnung eines Mandatsverhältnisses unterlässt es der Anwalt, Auskunft wegen evtl. Verjährung von Ansprüchen des Mandanten zu erteilen. Der Beratungstermin findet zu einem Zeitpunkt statt, in dem der Anspruch des Mandanten wegen in der Zwischenzeit eingetretener Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden kann. Hier haftet der Anwalt für den aus seiner Unterlassung erwachsenden Schaden.

[1] Die Haftung des Notars ist in § 19 BNotO ausdrücklich geregelt und entspricht grundsätzlich der Amtshaftung nach Art. 34 GG, § 839 BGB.
[2] Detaillierte Übersicht zu den einzelnen vertraglichen Anwaltspflichten: Slobodenjuk, NJW 2006, 113.
[3] Daneben haftet der Anwalt dem Mandanten aber auch nach §§ 326, 325 BGB bzw. nach § 823 BGB, wenn die Voraussetzungen deliktischer Haftung gegeben sind.

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