Rz. 22

Wird die Klage allein wegen der Inkassokosten abgewiesen, steht der Gläubiger häufig vor dem Problem, dass die Entscheidung aus sich heraus nicht rechtsmittelfähig ist. Nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO setzt die Statthaftigkeit der Berufung nämlich grundsätzlich voraus, dass der Wert der Beschwer 600 EUR übersteigt, d.h. mindestens 600,01 EUR beträgt. Meist liegen die geltend gemachten Inkassokosten allerdings unter diesem Betrag.

 

Rz. 23

Der Gläubiger kann die Berufung dann nur noch nach § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erheben, wenn diese zugelassen wurde. Die Zulassungsgründe sind zwingend in § 511 Abs. 4 ZPO normiert. Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichtes erfordert.

 

Rz. 24

Es bestehen keine Bedenken, allen Streitfragen rund um § 13e RDG grundsätzliche Bedeutung zuzumessen, wenn Inkassodienstleister und Rechtsanwalt nicht – wie verfassungsrechtlich geboten – kostenrechtlich gleichbehandelt werden. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass jede Streitfrage eine Vielzahl von Verfahren betrifft und die Entscheidung dieser Streitfragen durch die Rechtsmittelgerichte der Rechtssicherheit und Planungssicherheit und letztlich auch der Entlastung der Gerichte dient.

 

Rz. 25

Bei der Frage nach der Zulassung von Rechtsmitteln ist auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu beachten. Es führt in seiner Leitentscheidung[22] dazu aus:

Zitat

"Die Kosten eines Inkassobüros können – wenngleich im Einzelnen manches umstritten ist (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.2005 – VIII ZR 299/04, NJW 2005, 2991, 2994 m.w.N.) – nach vielfacher höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur, unbeschadet bestimmter Einschränkungen, grundsätzlich als Verzugsschaden geltend gemacht werden (vgl. etwa BGH, Urt. v. 24.5.1967 – VIII ZR 278/64, juris; OLG München, Urt. v. 29.11.1974 – 19 U 3081/74 –, NJW 1975, S. 832; OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.6.1986 – 6 U 234/85 –, NJW-RR 1987, S. 15; OLG Frankfurt, Urt. v. 14.11.1989 – 11 U 14/89 –, NJW-RR 1990, S. 729; OLG Dresden, Urt. v. 4.41995 – 13 U 1515/93 -, NJW-RR 1996, S. 1 471; OLG Oldenburg, Urt. v. 24.4.2006 – 11 U 8/06 –, JurBüro 2006, S. 481; Lorenz, in: Bamberger/Roth, BeckOK zum BGB, Stand: 1.11.2015, § 286 Rn 74; MüKo-BGB/Ernst, 7. Aufl. 2016, § 286 Rn 160 m.w.N.). Nach herrschender Meinung anerkannte Einschränkungen sind etwa, dass die Höhe der geltend gemachten Kosten die alternativ bei Beauftragung eines Rechtsanwalts entstehenden Kosten nicht übersteigen dürfen und dass der Schuldner zum Zeitpunkt der Beauftragung nicht bereits von vornherein erkennbar zahlungsunwillig gewesen ist (vgl. Lorenz, a.a.O., m.w.N.; Ernst, a.a.O., m.w.N.). Ersteres hat die Beschwerdeführerin in ihrem Klageantrag beachtet, zu letzterem hat sie in ihrem Sachvortrag schlüssig Stellung genommen. Trotz Hinweis auf entsprechende höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung seitens der Beschwerdeführerin hat das Amtsgericht, ohne sich in seinem Urteil erkennbar mit dieser auseinanderzusetzen, hiervon wesentlich abweichend entschieden, indem es die Bemühungen der Inkassounternehmen grundsätzlich als nicht zweckgerecht und damit regelmäßig als gegen die Schadensminderungspflicht verstoßend angesehen hat. Diese – vorliegend auch entscheidungserhebliche – Rechtsfrage betrifft eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten. Die Beauftragung von Inkassounternehmen zur Forderungseinziehung ist gängige Praxis und führt in Einzelfällen, wie bereits die oben zitierten Fundstellen zeigen, immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten. Da das Amtsgericht mit seinen Entscheidungsgründen zu erkennen gegeben hat, grundsätzlich anders entscheiden zu wollen, besteht insofern auch eine Wiederholungsgefahr. Es stand dem Amtsgericht zwar frei, so zu entscheiden, es hätte dann aber die Berufung zwingend zulassen müssen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26.4.2010 – 1 BvR 1991/09 –, GRUR 2010, S. 1034). Dies hat das Gericht, ohne sich in seiner Begründung näher mit den Zulassungsvoraussetzungen des § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 3. Alt. ZPO auseinanderzusetzen, nicht erkannt oder nicht erkennen wollen und damit insofern nach dargelegten Maßstäben willkürlich entschieden."

Danach wird sich kein Richter mehr erlauben dürfen, die Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten dem Grunde nach in Frage zu stellen, ohne zugleich den Rechtsmittelweg zu eröffnen. Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht inzwischen auch bestätigt.[23] Das beseitigt aber nicht den Streit um die Höhe der vorgerichtlichen Inkassokosten, insbesondere nach dem neuen Recht mit vielen Optionen, von einem umfangreichen Fall auszugehen.

[22] BVerfG, 7.9.2011, 1 BvR 1012/11, AnwBl 2012, 278.

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