Rz. 78

Besteht ein Pflichtteilsanspruch eines Minderjährigen gegen den überlebenden Ehegatten als Alleinerben, der gleichzeitig der gesetzliche Vertreter des Kindes ist, so kann dieser nicht mit sich selbst einen Erlassvertrag schließen. Dem stehen die Vorschriften §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 181 BGB entgegen.[156] Die Geltendmachung und Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs ist damit die alleinige Aufgabe des Kindes. Denn die Verjährungsfrist wird wegen der Ablaufhemmung nach § 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB nicht vor der Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes in Gang gesetzt.[157] Jedoch ist der als Alleinerbe eingesetzte gesetzliche Vertreter nicht daran gehindert, den Pflichtteilsanspruch des minderjährigen Kindes nach dem Tod des anderen Ehegatten geltend zu machen oder sicherzustellen. Denn § 181 BGB schließt ihn nur bei Rechtsgeschäften von der Vertretung des Kindes aus und diese Maßnahmen gehören nicht hierzu.[158]

 

Rz. 79

Allerdings kann wegen des möglichen Interessengegensatzes das Familiengericht nach § 1796 BGB dem Elternteil die Vertretungsmacht entziehen und eine Pflegschaft zur Wahrnehmung dieser Rechte anordnen (§ 1909 BGB), wenn das Interesse des Minderjährigen zu dem Interesse des gesetzlichen Vertreters im "erheblichen Gegensatz" steht (§ 1796 Abs. 2 BGB). Dies ist aber i.d.R. nur dann erforderlich, wenn der überlebende Elternteil den Pflichtteilsanspruch des Kindes konkret gefährdet. Hierzu ist im Einzelfall eine Interessenabwägung erforderlich. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs den Familienfrieden gefährden kann, zum anderen aber auch, ob die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs nach Eintritt der Volljährigkeit gefährdet ist.[159] Bei einem bestellten Pfleger beschränkt sich sein Aufgabenkreis bei Fehlen einer abweichenden Anordnung i.d.R. nur auf die Sicherung des Pflichtteilsanspruchs,[160] es sei denn, der Pflichtteilsanspruch kann in anderer Weise als durch die Durchsetzung nicht gesichert werden.[161] Ist die Bestellung eines Pflegers unterblieben, so hat der überlebende Ehegatte bei Eintritt der Vollendung des 21. Lebensjahres das Kind auf das Ende der Verjährungshemmung und seinen noch bestehenden Pflichtteilsanspruch hinzuweisen, andernfalls haftet er aufgrund einer Verletzung der Pflicht zur Vermögenssorge (§§ 1664, 1833 BGB), die insoweit noch nachwirkt.[162]

[156] MüKo-BGB/Lange, § 2317 Rn 9.
[157] BayObLG FamRZ 1989, 540, 541 f.; LG Braunschweig FamRZ 2000, 1184, 1185; Staudinger/Otte, § 2317 Rn 49; Damrau, Der Minderjährige im Erbrecht, Rn 54.
[158] BayObLG FamRZ 1963, 578, 579; Damrau, Der Minderjährige im Erbrecht, Rn 58; Staudinger/Haas (Neubearb. 2006), § 2317 Rn 45; a.A. BayObLGZ 2003, 248 = NJW-RR 2004, 1157, 1158 (für einen Betreuer).
[159] BayObLG FamRZ 1963, 578, 579; BayObLGZ 1988, 385, 389 = FamRZ 1989, 540; Damrau, Der Minderjährige im Erbrecht, Rn 61; Damrau/Tanck/Lenz-Brendel, § 2317 Rn 13; BayObLGZ 2003, 248 = NJW-RR 2004, 1157, 1158 (für einen Betreuer, wobei hier die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers bejaht wurde).
[160] BayObLGZ 1988, 385, 389; Staudinger/Otte, § 2317 Rn 81; Damrau, Der Minderjährige im Erbrecht, Rn 62 f.; a.A. MüKo-BGB/Lange, § 2317 Rn 9: Aufgabe ist die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs.
[161] BayObLGZ 1988, 385, 389; Staudinger/Otte, § 2317 Rn 81.
[162] Ebenso Damrau, Der Minderjährige im Erbrecht, Rn 70 für den vergleichbaren Fall, dass sich der Pflichtteilsanspruch gegen die minderjährigen Geschwister des Pflichtteilsberechtigten richtet.

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