1. Grundsatz: Die Erbengemeinschaft begründet keine gegenseitigen Auskunftsansprüche unter den Miterben

 

Rz. 13

Umstritten ist, ob aus dem Gesamthands-Rechtsverhältnis der Miterbengemeinschaft als einem gesetzlichen Schuldverhältnis eine Auskunftspflicht der Miterben untereinander hergeleitet werden kann. Unstreitig besteht eine solche gegenseitige Auskunftspflicht, wenn sie sich aus konkreten Vorschriften ergibt, bspw. wenn ein Miterbe die Verwaltung allein geführt hat, nach §§ 666, 681 BGB. Weitere Auskunftsansprüche sind in §§ 2027 Abs. 2, 2028, 2057 BGB geregelt.

 

Rz. 14

Weitergehende Auskunftspflichten werden von der Rechtsprechung und vom überwiegenden Schrifttum im Grundsatz – mit Ausnahmen – verneint.[25]

 

Rz. 15

Ausnahmsweise besteht ein Auskunftsrecht einzelner Miterben gegenüber den anderen, wenn einzelne Erben in entschuldbarer Weise über den Nachlassumfang oder seinen Verbleib im ungewissen sind, andere Erben die erforderliche Auskunft aber ohne Schwierigkeiten erteilen können. Dieses Auskunftsrecht wird aus allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abgeleitet.[26]

Eine allgemeine Auskunftspflicht der Miterben untereinander über den Nachlass als Inbegriff von Gegenständen verneint die h.M.[27]

 

Rz. 16

Um die Auskunftspflicht aus § 242 BGB einzugrenzen, hat der BGH wiederholt darauf hingewiesen, dass ein Auskunftsanspruch grundsätzlich nur bei einer bestehenden Sonderbeziehung zwischen zwei Miterben bestehe.[28] Voraussetzung sei das Bestehen eines Leistungsanspruchs dem Grunde nach. Wenn der Anspruchsinhalt daraus offen sei, könne eine Auskunftspflicht bejaht werden.

Nur ausnahmsweise dient § 242 BGB als Auffangtatbestand.

[25] BGH FamRZ 1973, 599; NJW-RR 1989, 450; a.M.: OLG Karlsruhe MDR 1972, 424 = FamRZ 1973, 215; Palandt/Weidlich, § 2038 Rn 13; Staudinger/Löhnig, § 2038; vgl. besonders Lorenz, JuS 1995, 569, 573.
[26] MüKo/Ann, § 2038 Rn 48.
[27] Seit RGZ 81, 30, siehe BGH DB 1989, 525, Staudinger/Löhnig, § 2038 Rn 18; Soergel/Wolf, § 2038 Rn 17; RGRK/Kregel, § 2039 Rn 13; a.A. Jauernig/Stürner, § 2038 Anm. 7 u. ausführlich Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1976, S. 327 m.w.N.; Brox/Walker, Rn 474; Schlüter, § 38 II 5.
[28] BGH JR 1990, 16, 17 m.w.N.

2. Allgemeine zivilrechtliche Auskunftsansprüche im Erbrecht

 

Rz. 17

Neben den besonderen erbrechtlichen Auskunftsansprüchen sind auch die allgemeinen Auskunftsansprüche des Zivilrechts für das Erbrecht von Bedeutung.[29]

 

Rz. 18

Der wohl wichtigste gesetzliche Auskunftsanspruch, der auch unmittelbare Geltung im Erbrecht hat, ist in § 666 BGB geregelt: Der Beauftragte ist u.a. verpflichtet, über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen. Verweisungen auf diese "Mustervorschrift" finden sich für Rechtsverhältnisse mit Auftragscharakter; für Miterben sind insbesondere folgende Fälle von Bedeutung:

Auskunftsansprüche der Miterben gegen denjenigen Miterben, der im Rahmen seines Notverwaltungsrechts nach § 2038 Abs. 1 BGB Verwaltungsmaßnahmen für den Nachlass getroffen hat;
Auskunftsrechte der Erben gegen den Testamentsvollstrecker, § 2218 BGB;
Auskunftsrechte der Miterben gegenüber einem einzelnen Miterben, der vom Erblasser beauftragt war und gem. § 666 BGB anstelle gegenüber dem Erblasser nunmehr gegenüber den anderen Miterben zur Rechenschaft verpflichtet ist.[30]

Weiter von Bedeutung ist der Anspruch

auf Besichtigung einer Sache nach § 809 BGB,
auf Einsicht in eine Urkunde nach § 810 BGB,
der prozessuale Anspruch auf Vorlegung einer Urkunde durch den Prozessgegner nach §§ 421 ff. ZPO und
die prozessuale Pflicht einer Partei oder eines Dritten zur Vorlegung einer Urkunde oder sonstiger Unterlagen nach § 142 ZPO.
 

Rz. 19

Bei etwaigen Ansprüchen nach § 666 BGB ist vorher jedoch zu prüfen, ob überhaupt ein vertragliches Auftragsverhältnis mit Rechtsbindungswillen vorgelegen hat. Die Rechtsprechung verneint nicht selten bei nahen Angehörigen einen solchen Rechtsbindungswillen und nimmt gerade im Zusammenhang mit der Erledigung von Bankgeschäften lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis an. Entscheidend für die Frage, ob eine Kontovollmacht mit Rechtsbindungswillen erteilt wird, ist, ob anhand objektiver Kriterien festgestellt werden kann, dass sich die Parteien rechtsgeschäftlich binden wollten.[31] Insoweit ist zu berücksichtigen, ob die Erteilung einer Kontovollmacht aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses erfolgt. Im Rahmen eines solchen besonderen Vertrauensverhältnisses – bspw. unter Eheleuten oder auch nichtehelichen Lebenspartnern – wird i.d.R. keine Auskunft oder Rechenschaft verlangt. Der andere soll grundsätzlich nicht im Nachhinein dem einseitigen Risiko ausgesetzt werden, Ausgaben genauer anzugeben und zu belegen.[32] Es müssen vielmehr objektive Kriterien hinzutreten, die den Rückschluss auf einen rechtsgeschäftlichen Bindungswillen zulassen.[33]

 

Rz. 20

Im Zusammenhang mit Auskunftsansprüchen nach § 666 BGB bei bestehender Bankvollmacht wird nicht selten zu Lebzeiten des Erblassers vom Bevollmächtigten behauptet, vom Bankkonto abgehobene Beträge habe der Erblasser dem Bevollmächtigten gesch...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge