a) Verzicht eines Miterben auf seine erbrechtliche Beteiligung

 

Rz. 377

Die Abschichtung einzelner Miterben ohne Erbteilsübertragung ist in der Praxis sehr weit verbreitet.[369] Sie wird von den Laien vermutlich schon seit Jahrzehnten praktiziert, ohne dass größere Schwierigkeiten bekannt geworden wären. Die Miterben einigen sich darauf, dass der Abzuschichtende mit dem Erhalt bestimmter Nachlassgegenstände aus der Erbengemeinschaft ausscheidet und diese unter den verbleibenden Miterben weiter besteht.

Der Verzicht eines einzelnen Miterben auf seine Erbenstellung wird von der Rechtsprechung neben der Veräußerung (§§ 2033, 2371 ff. BGB) als eigenständiges Rechtsinstitut angesehen.

Der BGH hat in drei Entscheidungen die Möglichkeit einer Abschichtung ohne Erbteilsübertragung anerkannt:

(1) Urt. v. 21.1.1998,[370]
(2) Urt. v. 27.10.2004,[371]
(3) Beschl. v. 30.9.2010.[372]

Man kann deshalb inzwischen von einer gesicherten Rechtsprechung sprechen.

Zuvor hatten bereits das Kammergericht[373] und der BFH[374] die Abschichtung als Möglichkeit der Teilnachlassauseinandersetzung angesehen.

In der Literatur wird dies der "dritte Weg" der Erbauseinandersetzung (nach a. Erbteilungsvertrag und b. Übertragung von Erbteilen gem. § 2033 Abs. 1 BGB) genannt.[375]

[369] Bühler, BWNotZ 1987, 73, 75.
[370] BGHZ 138, 8, 11 = FamRZ 1998, 673 = ZEV 1998, 141 = DNotZ 1999, 60 m. kritischer Anm. Rieger.
[371] ZEV 2005, 22 = NJW 2005, 284 = FamRZ 2005, 206 = ZNotP 2005, 67 = ZErb 2005, 48 = NotBZ 2005, 71 = Rpfleger 2005, 140 = MDR 2005, 338 = WM 2005, 1528.
[373] KG in OLGZ 1965, 244, 247.
[375] Reimann hat diesen Begriff erstmals in ZEV 1998, 213 verwandt.

b) Formfreiheit der Abfindungsvereinbarung

 

Rz. 378

Der BGH[376] betrachtet den Abschichtungsvertrag als formfrei mögliche Erbauseinandersetzung.

Auch wenn Grundstücke im Nachlass verbleiben, ist der der Abschichtung zugrunde liegende Abfindungsvertrag formfrei.

Die Frage der Form wird von § 2042 BGB her beurteilt. Für den Erbteilungsvertrag ist eine Form nicht vorgesehen, es sei denn, die Vereinbarung würde eine Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück oder eines GmbH-Anteils enthalten. In einem solchen Fall ist notarielle Beurkundung gem. § 311b Abs. 1 BGB bzw. § 15 GmbHG erforderlich.

Verzicht auf den Erbteil: Der BGH spricht von einem "Aufgeben des Erbteils", einem Verzicht auf das Recht am Nachlass. Hier setzt vor allem die rechtsdogmatische Kritik an, weil das Gesetz einen solchen Verzicht nicht kennt.[377]

Der Erbteil wird nicht auf bestimmte Rechtsnachfolger übertragen, im Gegensatz zur Erbteilsübertragung.

 

Rz. 379

Häufig wird es sich bei der Abschichtung um eine personelle und gegenständliche Teilauseinandersetzung handeln. Verbleibt aber nur noch ein Miterbe, so ist der ganze Nachlass damit auseinandergesetzt. Denn die aus zwei Miterben bestehende Erbengemeinschaft erlischt kraft Gesetzes durch Abschichtung eines der beiden Miterben; der Nachlass wird Alleineigentum des verbleibenden Erben. Dabei handelt es sich um eine erbgangsgleiche Universalsukzession.[378] Die Abschichtungsvereinbarung führt nicht zu einer rechtsgeschäftlichen Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, sondern dazu, dass die Erbengemeinschaft kraft Gesetzes erlischt.[379] Befindet sich ein Grundstück im Nachlass, so ist das Grundbuch damit unrichtig geworden.[380]

Da somit kein Fall einer Verfügung über den Erbteil vorliegt, gilt auch nicht die Formvorschrift des § 2033 Abs. 1 S. 2 BGB.[381] Allerdings ist der Abschichtungsvertrag dann formbedürftig, wenn als Abfindung die Leistung eines Gegenstandes vereinbart wird, der nur durch ein formbedürftiges Rechtsgeschäft übertragen werden kann, bei Grundstücken gem. § 311b BGB, bei Geschäftsanteilen einer GmbH gem. § 15 Abs. 4 GmbHG. Der notariellen Form bedarf gemäß § 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG eine Vereinbarung, durch welche die Verpflichtung eines GmbH-Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird. Die Erklärungen beider Vertragsparteien sind beurkundungsbedürftig, nicht nur die Verpflichtungserklärung.[382]Reimann[383] empfiehlt trotzdem aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit die Beurkundung des Abschichtungsvertrags.[384] Dies dürfte insbesondere dann von Vorteil sein, wenn nur noch ein Miterbe übrig bleibt und damit der ganze Nachlass aufgeteilt ist. Bei Zug-um-Zug-Leistungen ist möglicherweise eine treuhänderische Abwicklung durch einen Notar erforderlich.

 

Rz. 380

Nach dem Vollzug des Abschichtungsvertrags erfolgt bezüglich der Nachlassgrundstücke, die in Erbengemeinschaft verbleiben, eine Grundbuchberichtigung, wonach der abgeschichtete Miterbe als Gesamthänder ausgeschieden ist. Dies gilt auch dann, wenn nur noch ein Miterbe übrig bleibt und dieser kraft Anwachsung Alleineigentümer wird. Die Unrichtigkeit des Grundbuchs (§ 22 GBO) muss entweder in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden, oder es bedarf der beglaubigten Bewilligung aller Miterben (§§ 22, 19 GBO).

[376] A.a.O.; OLG München, Beschl. v. 20.1...

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