Rz. 208

Anders als das Recht der Personengesellschaft unterscheidet das Recht der Erbengemeinschaft bei der Strukturierung ihrer Organisation nicht zwischen Geschäftsführung als Berechtigung und Verpflichtung im Innenverhältnis einerseits und Vertretung im Außenverhältnis andererseits, sondern spricht von Verwaltung und Verfügung über Nachlassgegenstände.

Für die Verwaltung gilt grundsätzlich das Mehrheitsprinzip (§§ 2038 Abs. 2, 745 Abs. 1 BGB), während für Verfügungen gemeinschaftliches Handeln vorgesehen ist (§ 2040 Abs. 1 BGB) – freilich nicht gleichzeitiges und gleichartiges: Eine frühere Einwilligung oder eine spätere Genehmigung eines Miterben reicht aus.

 

Rz. 209

Die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung folgen nach § 2038 Abs. 2 S. 1 BGB aus § 745 BGB.[194] Danach muss die Verwaltung der Beschaffenheit des Gegenstandes und dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen unter Ausschluss wesentlicher Veränderungen entsprechen. Entscheidend ist, was eine verständige Person, nicht der verklagte Miterbe, aus der Sicht eines wirtschaftlich und vernünftig denkenden Beurteilers in der gleichen Situation machen würde.[195] Nicht erforderlich ist, dass die Maßnahme die Interessen jedes Miterben "bestmöglich" oder optimal wahrt.[196]

Nach h.M. berechtigt ein wirksamer Mehrheitsbeschluss die Mehrheit der Erben zwar grundsätzlich, mit Wirkung für und gegen die Gesamthandsgemeinschaft zu handeln, sie sind jedoch bei Verfügungen über Nachlassgegenstände auf die Mitwirkung der überstimmten Miterben angewiesen mit der Konsequenz, dass diese Mitwirkungspflicht notfalls gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB einzuklagen ist.[197]

 

Rz. 210

Die neuere Rechtsprechung des BGH und das jüngere Schrifttum haben sich jedoch inzwischen auch bei § 2040 Abs. 1 BGB dem Mehrheitsprinzip des § 2038 BGB angenähert,[198] obwohl der BGH seine bisherige Meinung, dass die überstimmten Miterben notfalls zu verklagen sind, noch nicht ganz aufgegeben zu haben scheint.

Für das Außenverhältnis gegenüber Dritten ergeben sich dadurch enorme Probleme, weil der Dritte nicht beurteilen kann, ob die Mehrheit handeln darf oder nicht. Aus Gründen der Rechtssicherheit wird der Dritte die Zustimmung aller Erben verlangen. Das Mitwirkungserfordernis aller Erben bei einer Verfügung ist allerdings auch gerechtfertigt, weil dem andererseits die gesamtschuldnerische Haftung jedes einzelnen Miterben gegenüber steht (§ 2058 BGB).[199] Und solange jedem Miterben die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten droht, muss er ein wirksames Mitspracherecht haben, wenn durch eine Verfügung der Nachlass als Haftungsmasse geschmälert wird.

[194] OLG München, Beschl. v. 6.10.2010 – 7 U 3661/10, nach juris; MüKo/Regen, 5. Aufl. 2010, § 2038 Rn 30.
[195] BGHZ 6, 76, 81/82; BGH FamRZ 1965, 267, 269; KG OLGE 30, 184; NJW 1953, 1592, 1593; Staudinger/Langhein, § 745 Rn 5; Staudinger/Löhnig, § 2038 Rn 13/14.
[196] So ausdrücklich, MüKo/K. Schmidt, §§ 744, 745 Rn 28.
[197] Vgl. MüKo/Gergen, § 2038 Rn 53, Staudinger/Löhnig, § 2038 Rn 40; Brox/Walker, Rn 484.
[198] BGH, NJW 2013, 166–167; BGHZ 108, 21, 30 = NJW 1989, 2694, 2697 = FamRZ 1989, 963, Ebenroth, Rn 765, Palandt/Weidlich, § 2038 Rn 2, Soergel/Wolf, § 2038 Rn 5; Jauernig/Stürner, § 2038 Anm. 1; Leipold, ZEV 2013, 82 f.; Münch, FamRZ 2013, 1002–1013.
[199] A.A. Eberl-Borges, NJW 2006, 1313.

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