Rz. 593
Hat ein Abkömmling für den Erblasser besondere Leistungen erbracht, bspw. durch Mitarbeit im elterlichen Haushalt oder durch Pflege des Erblassers, und wurden dadurch Aufwendungen erspart, so dass der Nachlass nicht oder weniger geschmälert wurde als bei Inanspruchnahme fremder Hilfe, so kann dieser Abkömmling von den anderen Abkömmlingen, die mit ihm zusammen Erben werden, einen Ausgleich bei der Nachlassauseinandersetzung verlangen, sofern er kein – angemessenes – Entgelt dafür erhalten hat, § 2057a BGB. Dieser Anspruch beinhaltet aber keine Geldforderung – dieses Missverständnis ist weit verbreitet –, vielmehr kann er nur zur Veränderung des Verteilerschlüssels in der Erbteilung führen; vgl. das nachfolgende Berechnungsbeispiel.
Dauer und Umfang der Leistung einerseits und der Wert des Nachlasses andererseits sind für die Höhe des Ausgleichungsbetrages entscheidend. Anhaltspunkte können Richtsätze für mithelfende Familienangehörige sein; in der Landwirtschaft evtl. die Richtsätze der Wirtschaftsminister.[582]
Als ausgleichungsberechtigte Leistungen[583] eines Abkömmlings für den Erblasser kommen in Betracht:
1. | Mitarbeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft, |
2. | erhebliche Geldleistungen, |
3. | in anderer Weise, |
4. | längere Pflege des Erblassers. |
Eine Ausgleichungspflicht besteht nur, wenn der Leistende kein oder kein angemessenes Entgelt erhalten hat, und kausal muss die Erhaltung oder Mehrung des Vermögens die Folge der Leistung gewesen sein. Der Leistende hat nicht etwa eine Geldforderung an den Nachlass, vielmehr erhöht sich sein Auseinandersetzungsguthaben in der Erbteilung – es verändert sich der Verteilerschlüssel in der Erbteilung.
Vgl. auch Kues, "Die Pflegevergütung naher Angehöriger", ZEV 2000, 434 und Petersen, "Die Beweislast bei der Ausgleichspflicht unter Miterben nach § 2057a BGB", ZEV 2000, 432.
Rz. 594
Es handelt sich praktisch um eine Ausgleichung mit umgekehrten Vorzeichen. Durchführung der Ausgleichung (§ 2057a Abs. 4 BGB): Von der den ausgleichungspflichtigen Abkömmlingen verbleibenden Teilungsmasse ist der auszugleichende Betrag abzuziehen. Von dem verbleibenden Betrag sind die Erbteile der Abkömmlinge zu berechnen. Zu dem für den ausgleichungsberechtigten Abkömmling entsprechend seinem Erbteil errechneten Auseinandersetzungsguthaben ist der Ausgleichungsbetrag hinzuzurechnen.
Rz. 595
Beispiel
Der Erblasser hinterlässt eine Witwe, mit der er in Zugewinngemeinschaft gelebt hat, und die drei Kinder A, B, C. Der reine Nachlasswert beträgt 140.000 EUR. Das Kind C hat für den Erblasser besondere Leistungen erbracht, die mit einem Wert von 10.000 EUR auszugleichen sind. Die Auseinandersetzungsguthaben sind zu berechnen.
Erbquoten: W ½ (§§ 1931 Abs. 1, Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB)
A, B und C je 1/6
Eine Ausgleichung findet nur unter den Abkömmlingen statt (§§ 2050 – 2052 BGB), deshalb ist vorher der Wert des Erbteils der Witwe W abzuziehen (§ 2057a Abs. 4 S. 2 BGB).
Reinnachlass: | 140.000 EUR |
abzügl. ½ Erbteil W | 70.000 EUR |
Wert des unter den Abkömmlingen aufzuteilenden Nachlasses: | 70.000 EUR |
abzügl. ausgleichungspflichtige Leistung von C | 10.000 EUR |
Verbleibende Teilungsmasse | 60.000 EUR |
Erbteil A: 1/6 des Gesamtnachlasses | |
= ⅓ aus dem halben Nachlass | 20.000 EUR |
Erbteil B: ⅓ | 20.000 EUR |
Erbteil C: ⅓ | 20.000 EUR |
zuzügl. ausgleichungspflichtige Leistung | 10.000 EUR |
Auseinandersetzungsguthaben C | 30.000 EUR |
Rz. 596
Da die Höhe des Ausgleichungsbetrages entscheidend von Billigkeitserwägungen bestimmt wird, ist daran zu denken, im Prozess insoweit (analog der Praxis in Schmerzensgeldprozessen) einen unbezifferten Antrag zu stellen. Erforderlichenfalls wird das Gericht gem. § 287 ZPO den Betrag schätzen. Da die Ausgleichung aber nur im Rahmen der Erbteilung stattfindet und die Erbteilungsklage einen konkreten Teilungsplan beinhalten muss, käme ein solcher unbezifferter Antrag nur als Feststellungsklage zur Vorbereitung der Erbteilung in Betracht.[584]
Rz. 597
Im Prozess erfordert die Berücksichtigung ausgleichungsfähiger Leistungen im Haushalt des Erblassers feststellbare Anknüpfungstatsachen, die nach Grad und Höhe eine Wertberechnung zumindest als Schätzung nach § 287 ZPO ermöglichen. Auch wenn es sich bei der Wertberechnung von Ausgleichungsleistungen i.S.v. § 2057a BGB um eine Billigkeitsentscheidung mit verminderten Substantiierungspflichten handelt,[585] so müssen für eine Schätzung nach § 287 ZPO doch ausreichend feststellbare Anknüpfungstatsachen vorgetragen werden.[586]
Ausgleichsansprüche nach § 2057a BGB sind sowohl aktiv als auch passiv an den Erbteil gebunden. Wird der Erbteil verkauft, trifft die Ausgleichspflicht nicht mehr den ursprünglichen Erben, sondern den Erwerber.[587]
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