Rz. 428

Die Fälle des vom Erblasser selbst angeordneten Ausschlusses der Auseinandersetzung sind von großer praktischer Bedeutung. Nach § 2044 Abs. 1 BGB kann der Erblasser die Auseinandersetzung des gesamten Nachlasses oder einzelner Nachlassgegenstände auf Dauer oder für einen bestimmten Zeitraum ausschließen. Möglich ist auch die Auseinandersetzung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist.

a) Rechtsnatur des Auseinandersetzungsausschlusses

 

Rz. 429

So genannte "Teilungsverbote" können rechtlich qualifiziert werden als

eine rechtlich nicht bindende Bitte,
eine Anordnung nach § 2044 Abs. 1 BGB,
eine Auflage (§§ 1940, 2194 ff. BGB),
ein Vermächtnis (§§ 1939, 2147 ff. BGB),
unter Umständen eine bedingte Erbeinsetzung.[432]

Je nach Qualifikation sind die Rechtsfolgen ganz unterschiedlich: Nur als Auflage oder Vermächtnis kommt eine Bindung in einem Erbvertrag oder einem gemeinschaftlichen Testament in Betracht. Nur das Vermächtnis oder die bedingte Erbeinsetzung könnte ausgeschlagen werden.

Der Wille des Erblassers ist notfalls durch Auslegung unter Zugrundelegung des Normzwecks zu ermitteln.

[432] Vgl. Nieder/Kössinger/R. Kössinger, § 15 Rn 205; Weitere Literatur: Bengel, ZEV 1995, 178 ff.

b) Keine Bindung für die Erben

 

Rz. 430

Die reine Anordnung des Erblassers nach § 2044 BGB wirkt nur schuldrechtlich. Für die Verfügungsbefugnis der Miterben über die Nachlassgegenstände bedeutet dies, dass ihre Verfügungsmacht nach § 2040 BGB nach außen nicht beschränkt ist, weil dem Gesetz ein dinglich wirkendes rechtsgeschäftliches Verfügungsverbot nach § 137 BGB fremd ist.

 

Rz. 431

Die Erben können sich einvernehmlich über den Auseinandersetzungsausschluss des Erblassers hinwegsetzen und entgegen seiner Anordnung die sofortige Auseinandersetzung vornehmen.[433] Wollte der Erblasser eine solche Umgehung seines Willens verhindern, so müsste er Testamentsvollstreckung anordnen. Der Testamentsvollstrecker ist an das Auseinandersetzungsverbot des Erblassers gebunden, §§ 2204, 2044 BGB. Aber selbst in diesem Fall könnten sich Testamentsvollstrecker, alle Erben und die Vermächtnisnehmer bei entsprechender Einigung über das Verbot des Erblassers hinwegsetzen.[434]

[433] BGHZ 40, 115, 118.
[434] BGHZ 40, 115, 118; BGHZ 56, 275, 281.

c) Grenzen des Auseinandersetzungsausschlusses

aa) Zeitliche Grenze

 

Rz. 432

Nach § 2044 Abs. 2 BGB wird das Verbot nach Ablauf von 30 Jahren seit dem Erbfall wirkungslos (mit Ausnahmen in § 2044 Abs. 2 S. 2 BGB, wenn der Erblasser die Aufhebung des Ausschlusses vom Eintritt bestimmter Ereignisse abhängig macht).

bb) Tod eines Miterben

 

Rz. 433

Eine zeitlich begrenzte Ausschlussanordnung tritt beim Tod eines Miterben außer Kraft (§§ 2044 Abs. 1 S. 2, 750 BGB), es sei denn, es wäre etwas anderes angeordnet (was natürlich auch durch Auslegung ermittelt werden kann).

cc) Gläubiger

 

Rz. 434

Gegenüber Gläubigern der Erben ist das Auseinandersetzungsverbot bei Pfändung des Erbteils wirkungslos (§§ 2044 Abs. 1 S. 2, 751 S. 2 BGB), sobald der Erbteil aufgrund eines endgültig vollstreckbaren Titels gepfändet wurde. Das Auseinandersetzungsverbot ist auch wirkungslos in der Insolvenz des Miterben nach § 84 Abs. 2 InsO.

Wichtiger Grund: Die Anordnung wird bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unwirksam, §§ 2044 Abs. 1 S. 2, 749 Abs. 2 BGB. Ein wichtiger Grund ist auch der Eintritt der Volljährigkeit eines minderjährigen Miterben, § 1629a Abs. 4 BGB.

dd) Grenzen durch das Pflichtteilsrecht

 

Rz. 435

Bei Erbfällen, die seit dem Inkrafttreten der Erbrechtsreform, ab dem 1.1.2010, eingetreten sind, bleibt eine Teilungsanordnung auch dann wirksam, wenn der hinterlassene Erbteil geringer ist als die Pflichtteilsquote. Jetzt muss der belastete pflichtteilsberechtigte Erbe auch in diesem Fall die Erbschaft ausschlagen (§ 2306 Abs. 1 BGB), wenn er sich der Teilungsanordnung entledigen will.[435]

[435] Neufassung von § 2306 Abs. 1 BGB durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24.9.2009, BGBl I S. 3142.

ee) Außerordentliches Auseinandersetzungsverlangen nach dem Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz

 

Rz. 436

Nach § 1629a Abs. 1 BGB hat das volljährig gewordene Kind die Möglichkeit, die Haftung für Verbindlichkeiten, die seine Eltern ihm gegenüber bei Ausübung der gesetzlichen Vertretung begründet haben, und für Verbindlichkeiten, die durch einen in der Zeit der Minderjährigkeit eingetretenen Erwerb von Todes wegen begründet wurden, auf den Bestand desjenigen Vermögens zu beschränken, das im Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit vorhanden ist. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der volljährig gewordene Miterbe innerhalb von drei Monaten seit Eintritt der Volljährigkeit die Auseinandersetzung des Nachlasses verlangen.

 

Rz. 437

Ist ein volljährig gewordener Minderjähriger Miterbe an einer Erbengemeinschaft, so wird in § 1629a Abs. 4 BGB vermutet, dass die Verbindlichkeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres begründet wurde, sofern der jetzt volljährige Miterbe nicht binnen drei Monaten nach Erreichen der Volljährigkeit seine Miterbenstellung aufgegeben hat, d.h. er muss innerhalb dieses Zeitraumes das Auseinandersetzungsverlangen nach § 2042 BGB stellen, wobei der Eintritt der Volljährigkeit als wichtiger Grund i.S.v. §§ 749 Abs. 2 S. 1, 2042 Abs. 2 BGB angesehen wird.

ff) Vermögensverzeichnis für ein an einem Nachlass beteiligtes Kind

 

Rz. 438

Nach § 1640 BGB haben Eltern eines minderjährigen Kindes, d...

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