Rz. 7

Voraussetzung für die Annahme eines Auftrags ist aber ein Vertragsschluss, der notfalls bewiesen werden muss. Da Auftragsverhältnisse meist von einer persönlichen Nähe der Parteien geprägt sind und aufgrund der Vertrauensstellung, die der Bevollmächtigte zumindest beim Vertretenen hatte, sind schriftliche Auftragsverträge eine Seltenheit. Auch in den gängigen Formularsammlungen findet sich kaum ein Vorschlag, wie das Innenverhältnis geregelt sein soll.

Also behilft sich die Rechtspraxis mit der Annahme eines konkludent geschlossenen Vertrages. Als Rechtsanwalt des Vertretenen bzw. dessen Erben wäre es nun voreilig, aus Gründen der Bequemlichkeit einfach einen konkludenten Vertrag anzunehmen, nur weil man nichts schriftlich hat und man den Vertreter irgendwie zur Verantwortung ziehen möchte.

 

Rz. 8

Nach objektiven Merkmalen ist das Auftragsverhältnis leicht abzuleiten: Das Vertragsangebot ist regelmäßig in der Vollmachtserteilung bzw. Aushändigung der Vollmachtsurkunde zu sehen.[2] Angenommen wird das Angebot zur Übernahme des Auftrags spätestens mit Beginn des Tätigwerdens.[3]

Die äußeren Umstände sind zwar ein starkes Indiz für das Vorliegen eines Auftrages, aber fraglich ist, ob die Parteien sich damit schon auf eine Leistungspflicht des Bevollmächtigten, die gem. § 241 Abs. 1 BGB jedes Schuldverhältnis ausmacht, verständigt haben. Fehlt ein solcher Rechtsbindungswille, fehlt es auch an einem Auftragsverhältnis, mit der Folge, dass ein Gefälligkeitsverhältnis anzunehmen ist, das gerade keine Auskunftspflichten beinhaltet.

 

Rz. 9

Die Feststellung dieses Rechtsbindungswillens kann im konkreten Fall erhebliche Schwierigkeiten bereiten, weil keine schematische Prüfung möglich ist. Vielmehr ist in einer Gesamtschau aller Umstände aus Sicht des objektiven Betrachters auf den vorhandenen oder fehlenden Rechtsbindungswillen zu schließen.[4] Nach Ansicht des BGH kommt es auf die Art der Gefälligkeit, ihren Grund und Zweck, ihre rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung, insbesondere für den Empfänger, die Umstände, unter denen sie erwiesen werden, und die dabei bestehende Interessenlage der Parteien an.[5]

 

Rz. 10

Um diese Generalformel etwas mit Leben zu füllen, bietet sich je nach "Gefechtslage" der Rückgriff auf die verschiedenen Stimmen in Literatur und Rechtsprechung, die zur Frage des Rechtsbindungswillens Erhellendes beigetragen haben:

Von zentraler Bedeutung im Bereich des Vollmachtsmissbrauchs sind die wirtschaftlichen Interessen des Auftraggebers. Wenn erhebliche Vermögenswerte auf dem Spiel stehen und der Vollmachtgeber sich auf die Leistungszusage des Bevollmächtigten für diesen erkennbar verlässt, ist immer von einem Rechtsbindungswillen auszugehen.[6] Das OLG Frankfurt[7] hat konkret entschieden, dass mit Rechtsbindungswillen handelt, wer Schecks mit insgesamt fünfstelliger (DM-)Summe in fremdem Auftrag weiterzuleiten hat.

Das OLG Brandenburg[8] sah in der Erteilung einer Kontovollmacht über gut gefüllte Konten des Vollmachtgebers ein starkes Indiz für ein Auftragsverhältnis und erteilte dem Bevollmächtigten, der sein "Kümmern" als Gefälligkeit gewertet haben wollte, eine klare Abfuhr:

Zitat

"Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles. Insbesondere kann es entgegen der Auffassung des Beklagten nicht darauf ankommen, in welchem Umfang er von der Vollmacht Gebrauch gemacht hat. Maßgeblich sind vielmehr die Verhältnisse in dem Zeitpunkt, in dem ihm die Vollmacht eingeräumt worden ist. Entscheidend ist, dass der Beklagte von den erheblichen Vermögenswerten wusste, über die er fortan verfügen durfte. Allein die Behauptung, er habe sich um die Erblasserin gekümmert, so dass ein inniges Vertrauensverhältnis entstanden sei, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung."

 

Rz. 11

Je nach Vermögenssituation des Vertretenen kann aber auch schon die Verantwortung für kleinere Summen ein erhebliches wirtschaftliches Interesse begründen, z.B. der (in der Praxis nicht seltene) Auftrag, die gesamten Rentenbezüge bar abzuheben. Insofern kann man argumentieren, dass beim Durchschnittsbürger schon mit einer Vollmacht über das Gehaltskonto erhebliche Vermögenswerte auf dem Spiel stehen, weil der Bevollmächtigte ohne weiteres über das gesamte Einkommen verfügen kann.

Justizia, die Göttin des Rechts, trägt eine Augenbinde, weil sie ohne Ansehen der Person richtet. Wer sich mit der Rechtsprechung zum Auftragsrecht bei erteilten Vollmachten auseinandersetzt, stellt fest, dass die Justiz in Ansehen der handelnden Personen teilweise blind ist, wenn es um den sensiblen Umgang mit dem Vermögen anderer Menschen geht. Obwohl der BGH[9] jeglicher Analogie außerhalb der Ehe eine Absage erteilt hat, gibt es eine starke Tendenz in der Rechtsprechung, sich bei Vollmachten, die in persönlichen Beziehungen erteilt werden, für unzuständig zu erklären.

 

Rz. 12

Für einen Rechtsbindungswillen spricht auch, wenn sich der Auftraggeber auf die Entfaltung der Tätigkeit des Auftragnehmers verlässt.[10] Gerade bei einer aktuell werdenden Vorsorgevollmacht is...

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