Rz. 54

Muster 3.13: Billigkeitshaftung Nicht-Deliktsfähiger

 

Muster 3.13: Billigkeitshaftung Nicht-Deliktsfähiger

_________________________ Versicherung AG

_________________________

_________________________

Schaden-Nr./VS-Nr./Az. _________________________

Schaden vom _________________________

Pkw _________________________, amtl. Kennzeichen _________________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der im Betreff genannten Schadensache zeige ich an, dass mich Frau _________________________ aus _________________________ mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hat. Eine Kopie der auf mich lautenden Vollmacht füge ich in der Anlage bei.

Der schadenbegründende Sachverhalt ist Ihnen aufgrund der bislang mit meiner Mandantin geführten Korrespondenz bekannt. Danach erlitt meine Mandantin infolge des vom minderjährigen _________________________ verursachten und verschuldeten Unfalls einen erheblichen Personenschaden. Der beim Sturz erlittene Hüftbruch ist irreparabel. Meine Mandantin wird Zeit ihres Lebens an den Rollstuhl gefesselt sein.

In Ihrem Schreiben vom _________________________ lehnten Sie Ihre Eintrittspflicht ab. Nach eingehender Prüfung der hier interessierenden Fragen zur Sach- und Rechtslage vermag ich mich dem nicht anzuschließen.

Zwar trifft es durchaus zu, dass der zum Schadenszeitpunkt minderjährige Schadensverursacher mangels Deliktsfähigkeit gem. § 828 Abs. 1 BGB für den eingetretenen Schaden nicht haftet. Soweit Sie allerdings die Auffassung vertreten, den Eltern des _________________________ könne keine Aufsichtspflichtverletzung gem. § 832 BGB zur Last gelegt werden, ist dies nach Maßgabe der in vergleichbaren Fällen ergangenen gerichtlichen Entscheidungen zumindest streitig. Insoweit haben sich Ihre Versicherungsnehmer von einem vermuteten Verschulden zu exkulpieren. Verbleibende Zweifel gehen dabei zu ihren Lasten.

Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben. In jedem Fall ist eine Ersatzpflicht aus Billigkeitsgründen gem. § 829 BGB geboten. Die dafür erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen liegen vor. Zumindest nach der von Ihnen vertretenen Auffassung greift eine Ersatzpflicht der aufsichtspflichtigen Eltern nicht ein. Im Übrigen erfordert die Billigkeit unter Berücksichtigung der hier maßgeblichen Umstände eine Schadloshaltung meiner Mandantin. Grundsätzlich ist hierfür ein erhebliches wirtschaftliches Gefälle zwischen den Vermögensverhältnissen des Schädigers und des Geschädigten erforderlich (BGH, Urt. v. 29.11.2016 –VI ZR 606/15 – zfs 2017,261; BGH NJW 1979, 2096). Überdies bedarf es eines erheblichen Gefälles im beiderseitigen und zum Schadenseintritt führenden Verschulden (BGH NJW 1969, 1762). Auch ist eine Billigkeitshaftung bei Vorliegen weiterer Indizien umso eher anzunehmen, wenn der Schädiger durch eine Haftpflichtversicherung abgesichert ist (BGHZ 127, 186, 190 = BGH NJW 1995, 452; LG Mosbach NJW-RR 1986, 24).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Meine Mandantin ist Rentnerin und lebt in wirtschaftlich einfachen Verhältnissen. Demgegenüber handelt es sich bei den Versicherten Ihres Haftpflichtversicherungsvertrags um eine sehr vermögende Fabrikantenfamilie, die zudem durch eine Haftpflichtversicherung abgesichert ist. Der Eintritt des Schadens wurde von meiner Mandantin nicht im Geringsten mitverschuldet. Alleiniger Verursacher des Unfalls war der minderjährige _________________________. Entsprechend seiner Einlassung hatte er versucht, den Hund meiner Mandantin dadurch zu erschrecken, dass er möglichst nah an diesem vorbeifährt. Dabei verschätzte er sich jedoch und es kam zur Kollision mit meiner Mandantin. Das Fehlverhalten des minderjährigen _________________________ ist von einem erheblichen Maß an Rücksichtslosigkeit geprägt. Indem er möglichst nah an den Hund heranzufahren versuchte, hat er die Sorgfalt außer Acht gelassen, die sich jedem verständigen Menschen sofort aufgedrängt hätte und handelte mithin grob fahrlässig. Letztlich gebieten auch die besonders schweren Verletzungsfolgen eine Haftung nach Billigkeitsgrundsätzen gem. § 829 BGB.

Nach alledem haben wir Sie aufzufordern, Ihre Eintrittspflicht für den Schadensfall unverzüglich zu bestätigen und die nachfolgend bezifferten Schadenspositionen auszugleichen.

_________________________

Mit freundlichen Grüßen

(Rechtsanwalt)

 

Rz. 55

Wann die Ersatzpflicht nach Billigkeitsgründen zu erfolgen hat, ist kaum schematisierbar. Fest steht in jedem Fall, dass der Ersatzanspruch ein wirtschaftliches Gefälle zwischen Schädiger und Geschädigtem zugunsten des Schädigers voraussetzt und eine Haftung nach § 829 BGB nur ausnahmsweise in Betracht kommt.[37] Dies gilt insbesondere nach der neu geschaffenen Vorschrift des § 828 Abs. 2 BGB, die einen umfassenden Schutz von Kindern im Straßenverkehr bezweckt und die nicht über eine Haftung aus § 829 BGB umgangen werden darf. Bei der Abwägung aller Umstände kann auch das Bestehen einer Haftpflichtversicherung auf Seiten des Schädigers eine gewichtige Rolle spielen.[38] Als alleiniges K...

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