Rz. 15

Der gemeinsame Betrieb mehrerer Unternehmen i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG ist bislang auch als Betrieb i.S.d. § 17 KSchG angesehen worden. Für die Beurteilung, ob eine Massenentlassung vorliegt, kam es nach bisheriger Rechtsprechung auf die Zahl der insgesamt von allen beteiligten Arbeitgebern zu entlassenden Arbeitnehmer im Verhältnis zu der Zahl der im Gemeinschaftsbetrieb insgesamt in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer an. Sofern bei getrennter, unternehmensbezogener Betrachtung die Schwellenwerte nicht erreicht und deshalb eine Massenentlassungsanzeige unterblieben ist, wurde dies als Verkennung des Betriebsbegriffs mit der Folge der Unwirksamkeit der Kündigung angesehen.[29] Ob im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH zum Betriebsbegriff an dieser Sichtweise festgehalten werden kann, ist umstritten.[30] Richtigerweise wird auf die organisatorische Ausgestaltung des Gemeinschaftsbetriebes abzustellen sein. Auf die den Gemeinschaftsbetrieb kennzeichnende einheitliche Leitungsstruktur[31] kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH für die unionsrechtliche Definition des Betriebes nicht an. Sofern daher die Einheiten der den Gemeinschaftsbetrieb bildenden Unternehmen eine hinreichende organisatorische Struktur und Selbstständigkeit besitzen, werden sie aus unionsrechtlicher Sicht als getrennte Betriebe zu behandeln sein. Nur, wenn der Gemeinschaftsbetrieb auch in organisatorischer Hinsicht eine Einheit bildet, kann auf dessen Gesamtbelegschaft abgestellt werden.

[30] Bejahend etwa EuArbR/Spelge, Art. 1 RL 98/59/EG Rn 45; Salamon, NZA 2015, 789; ablehnend etwa KR/Weigand, § 17 Rn 36; Kleinebrink/Commandeur, NZA 2015, 853.
[31] Richardi/Maschmann, § 1 Rn 66; ErfK/Kiel, § 1 BetrVG Rn 14.

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