Rz. 67

Die Mindestinformationen nach § 17 Abs. 2 S. 1 KSchG müssen der Arbeitnehmervertretung in Schriftform übermittelt werden. Dabei geht das BAG entgegen der bislang herrschenden Auffassung davon aus, dass die Unterrichtung insoweit nicht den strengen Anforderungen des § 126 BGB genügen muss, die Wahrung der Textform entsprechend § 126b BGB vielmehr ausreiche.[145] Da es sich bei der Unterrichtung der Arbeitnehmervertretung nicht um eine Willenserklärung handelt, sondern um eine nur rechtsgeschäftsähnliche Handlung,[146] kommt § 126 BGB nicht zur Anwendung. Für die Zwecke des § 17 Abs. 2 KSchG aber genügt die Wahrung der Textform. Die Unterrichtung soll es der Arbeitnehmervertretung ermöglichen, konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, um die geplante Massenentlassung zu verhindern oder einzuschränken.[147] Die Arbeitnehmervertretung muss die gesetzlich vorgesehenen Angaben auf Vollständigkeit, inhaltlichen Abschluss und Urheberschaft prüfen und darüber hinaus dauerhaft über die übermittelten Informationen verfügen können. Diese Möglichkeiten werden durch eine Übermittlung in Textform entsprechend § 126b BGB gewährleistet.[148] Auf die in früherer Rechtsprechung in Betracht gezogene Möglichkeit einer Heilung des Formverstoßes durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats, mit der dieser zu erkennen gibt, dass er sich für ausreichend unterrichtet erachtet,[149] kommt es damit nicht mehr an.

 

Rz. 68

Diese weite Auslegung des Schriftformerfordernisses dürfte auch den Vorgaben der Richtlinie genügen, die gleichermaßen eine Verschriftlichung der Unterrichtung fordert. Der unionsrechtliche Bedeutungsgehalt des Begriffs "schriftlich" ist in Bezug auf die Zwecke der betreffenden Vorschrift zu bestimmen.[150] Bezweckt die Regelung vorrangig eine verkörperte Dokumentation für den Empfänger, genügt auch die Einhaltung der Textform.[151] Das BAG hat deshalb eine Vorlage dieser Frage an den EuGH nicht für ­erforderlich erachtet.[152]

[145] BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 276/16; offengelassen zuletzt von BAG v. 9.6.2016 – 6 AZR 405/15; BAG v. 20.9.2012 – 6 AZR 155/11; ebenso EUArbR/Spelge RL 98/59/EG Art. 2 Rn 11; Schaub/Linck, § 142 Rn 15; Salamon, NZA 2015, 789; Krieger/Ludwig, NZA 2010, 919, 922; Schaub/Linck, § 142 Rn 15.
[147] EuGH v. 10.9.2009 – C-44/08, Keskusliitto.
[150] EuGH v. 29.4.1982 – C-66/81, Pommerehnke.
[151] EuGH v. 24.1.2002 – C-170/00.
[152] BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 276/16; a.A. EUArbR/Spelge RL 98/59/EG Art. 2 Rn 13.

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