Rz. 91

Der Begriff des beherrschenden Unternehmens ist in Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie nicht näher definiert. Er ist nach der Rechtsprechung des EuGH in einem Vorlageverfahren des LAG Berlin-Brandenburg[188] autonom und einheitlich dahin auszulegen, dass unter einem "den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen" jedes Unternehmen zu verstehen ist, das mit dem Arbeitgeber durch Beteiligungen an dessen Gesellschaftskapital oder durch ­andere rechtliche Verbindungen verbunden ist, die es ihm ermöglichen, einen bestimmenden Einfluss in den Entscheidungsorganen des Arbeitgebers auszuüben und ihn dazu zwingen können, Massenentlassungen in Betracht zu ziehen oder vorzunehmen. Dies kann auch dann gegeben sein, wenn ein Unternehmen zwar keine Stimmenmehrheit besitzt, aber dennoch einen bestimmenden Einfluss ausüben kann, der in den Abstimmungsergebnissen der Gesellschaftsorgane zum Ausdruck kommt, etwa wegen einer breiten Streuung des Gesellschaftskapitals des Arbeitgebers, eines relativ geringen Beteiligungsgrads der Gesellschafter an den Versammlungen oder der Existenz von Verträgen zwischen Gesellschaftern des Arbeitgebers.[189]

 

Rz. 92

Entgegen der Auffassung der Generalanwältin Sharpston in ihren dieser Entscheidung vorangegangenen Schlussanträgen[190] ist allerdings nach Auffassung des EuGH eine nur tatsächliche Beherrschungssituation nicht ausreichend, auch nicht, wenn der Arbeitgeber und das ihn tatsächlich beherrschende Unternehmen dieselben geschäftlichen Interessen in Form einer vertraglichen oder faktischen Verbindung verfolgen, deren Ausdruck ein gemeinsames Vermögensinteresse ist.[191] Anderenfalls wäre das nationale ­Gericht zu umfangreichen Recherchen mit ungewissem Ausgang über Art und Stärke der verschiedenen gemeinsamen Interessen der betroffenen Unternehmen gezwungen, was die Rechtssicherheit in der EU beeinträchtigen könnte. Eine Beherrschungssituation i.S.v. § 17 Abs. 3a KSchG liegt deshalb nur dann vor, wenn diese auf einer rechtlichen Verbindung beruht.

[190] Schlussanträge der GA Sharpston v. 21.6.2018 – C-61/17, Bichat.

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