1. Gleichartigkeit der Pflichtverletzungen

 

Rz. 272

Der Arbeitgeber kann sich nur auf eine Abmahnung berufen, wenn sie einen vergleichbaren Sachverhalt wie die anschließende Kündigung betrifft. Nach der Rspr. des BAG muss ein gleichartiges Fehlverhalten[695] vorliegen, Abmahnung und Kündigung müssen in einem inneren Zusammenhang stehen.[696] Das LAG Berlin hat z.B. das mehrfache zu späte Aufsuchen und das zu frühe Verlassen des Arbeitsplatzes, das vorzeitige Verlassen einer Baustelle sowie Kartenspielen während der Arbeitszeit als gleichartige Pflichtverletzungen angesehen.[697] Auch Verspätungen und Versäumnisse bei Krankmeldungen können in einem inneren Zusammenhang stehen.[698] Eine Gleichartigkeit besteht auch, wenn die Abmahnung mehrere, verschiedenartige Vertragsverletzungen zum Gegenstand hat und Ausdruck einer allgemeinen Unzufriedenheit mit dem Leistungs- oder Ordnungsverhalten des Arbeitnehmers ist.[699]

[695] BAG v. 17.3.1988, NZA 1989, 261.
[697] BAG v. 18.1.1988, EzBAT § 54 BAT Arbeitsverweigerung Nr. 2.
[699] LAG Reinland-Pfalz v. 5.11.1982, DB 1983, 1554.

2. Anzahl der Abmahnungen

 

Rz. 273

Eine bestimmte Anzahl von Abmahnungen ist grundsätzlich nicht notwendig, bevor eine Kündigung wegen gleichartiger Vertragsverletzung ausgesprochen werden kann. Grundsätzlich ist nur eine Abmahnung bei gleichartigen Sachverhalten erforderlich. Etwas anderes kann sich nur ausnahmsweise bei hohem sozialen Bestandsschutz des Arbeitnehmers, insb. bei sog. Unkündbarkeit nach tarifvertraglichen Vorschriften bzw. hoher Dauer der Betriebszugehörigkeit und bei leichten Vertragsverstößen, sofern überhaupt wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips wirksam abgemahnt werden kann, ergeben.[700]

[700] Vgl. v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn 521; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn 274.

3. Kündigungsverzicht durch Abmahnungserteilung

 

Rz. 274

Das Kündigungsrecht erlischt durch Verzicht, wenn der Kündigungsberechtigte wegen des ihm bekannten Kündigungssachverhalts eine Abmahnung ausspricht und sich die für die Kündigung maßgebenden Umstände nicht später geändert haben.[701] Das BAG hat ausdrücklich offen gelassen, ob dies mangels entsprechender "Warnfunktion" auch für eine nicht mit einem ausdrücklichen Hinweis auf die Gefährdung des künftigen Bestandes des Arbeitsverhältnisses versehenen bloßen "Ermahnung" bzw. eine bloße Vertragsrüge anzunehmen ist. Ein Verzicht ist nach der Rspr. des BAG nur dann anzunehmen, wenn die Vertragsrüge deutlich und unzweifelhaft zu erkennen gibt, dass der Arbeitgeber den vertraglichen Pflichtenverstoß hiermit als ausreichend sanktioniert und die Sache als "erledigt" ansieht.[702]

[701] BAG v. 6.3.2003, NZA 2003, 1389; BAG v. 12.5.2011, NZA-RR 2012, 43.
[702] BAG v. 6.3.2003, NZA 2003, 1389; vgl. auch BAG v. 9.3.1995, NZA 1996, 875, 878.

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