Rz. 328

Wenn das Dienstverhältnis bei Eröffnung des Konkursverfahrens noch nicht angetreten war, bedurfte es unter der Geltung des § 22 KO keiner Kündigung. Der Konkursverwalter konnte nach § 17 KO den Vollzug des noch nicht angetretenen Dienstverhältnisses ablehnen (Berscheid, KGS, "Konkurs" Rn 76; Jaeger/Henckel, KO, § 17 Rn 14; Kilger/Schmidt, KO, § 22 Anm. 6; KR/Weigand, § 22 KO Rn 12). Die empfangsbedürftige Ablehnungserklärung hatte dieselbe Wirkung wie eine fristlose Kündigung, ohne eine solche zu sein (KR/Weigand, § 22 KO Rn 12). Die Ablehnung der Erfüllung brachte den Vertrag nicht zum Erlöschen, vielmehr gingen die Erfüllungsansprüche – vom Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung an gerechnet – für die Zukunft unter, und der Arbeitnehmer erlangte einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung (Berscheid, KGS, "Konkurs" Rn 78), der als einfache Konkursforderung gem. § 26 S. 2 KO geltend zu machen war (BAG 13.8.1980 – 5 AZR 588/78, NJW 1981, 885 = ZIP 1980, 1067; BGH v. 11.2.1988, ZIP 1988, 322). Da es sich nicht um eine Kündigung handelte, brauchte der Konkursverwalter den Betriebsrat vor Ausübung des Wahlrechtes nach § 17 Abs. 1 KO nicht gem. § 102 Abs. 1 BetrVG anhören (LAG Hessen v. 31.5.1985, LAGE § 102 BetrVG 1972 Nr. 17).

 

Rz. 329

Wie in der früheren KO ist auch in der InsO ein Wahlrecht bei gegenseitigen Verträgen vorgesehen (§ 103 Abs. 1 InsO; zum Insolvenzarbeitsrecht insgesamt s. §§ 59–62). In § 113 Abs. 1 S. 1 InsO ist die Beschränkung auf bereits "angetretene" Dienstverhältnisse aber nicht mehr enthalten. Es wird kein Unterschied mehr gemacht, ob das Beschäftigungsverhältnis bereits angetreten wurde oder nicht. Alle Arbeitsverhältnisse können deshalb einseitig nur noch durch Kündigung (oder Anfechtung) beendet werden. Die Kündigungsmöglichkeit erstreckt sich dabei auch auf solche Dienstverhältnisse, für die eine Vertragsdauer vereinbart oder für die das Recht zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist (ErfK/Müller-Glöge, § 113 InsO Rn 3). Das gilt auch für tariflich unkündbare Arbeitsverhältnisse (BAG v. 19.10.2000, AP InsO, § 113 Rn 5; BAG v. 16.6.2005, AP ATG § 3 Rn 13; BAG v. 20.9.2006, AP BGB, § 613a Rn 316). Das Kündigungsrecht gilt insb. auch für befristete Dienstverhältnisse unabhängig davon, ob ein ordentliches Kündigungsrecht vereinbart ist oder nicht (BAG v. 6.7.2000, AP InsO, § 113 Rn 6; BAG v. 16.6.2005, AP ATG § 3 Rn 13), da § 15 Abs. 3 TzBfG nur eine gesetzliche Auslegungsregel enthält, die der Vorschrift des § 113 InsO jedoch nicht vorgeht. Auch auflösend bedingte und zweckbefristet geschlossene Arbeitsverträge sind ohne besondere Vereinbarung gem. § 113 InsO kündbar (ErfK/Müller-Glöge, § 113 InsO Rn 6). Diese Gesetzesänderung ist sinnvoll (Düwell, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 1111 Rn 24 m.w.N.; zust. Berscheid, InVo 1998, 32 ff.; a.A. Lohkemper, KTS 1996, 1, 4; ebenso Hess/Weis/Wienberg, Insolvenzarbeitsrecht, Rn 407; Weis, HwB AR, 1003 "Insolvenzarbeitsrecht" Rn 7). Die Notwendigkeit einer Kündigung auch bei noch nicht angetretenen Arbeitsverhältnissen und damit der Ausschluss des "fristlosen" Ablehnungsrechtes stellen keine besondere Belastung für die Insolvenzgläubiger dar. Die Erfüllungsablehnung nach § 17 KO war eine mit dem allgemeinen Prinzip des Arbeitnehmerschutzes unvereinbare Beendigungsart (Düwell, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 1111 Rn 24 m.w.N.). Da in der Insolvenz das Recht zur jederzeitigen Kündigung ohne irgendwelche vertraglichen Beschränkungen besteht, kann gem. § 113 Abs. 1 S. 1 InsO auch vor Dienstantritt gekündigt werden (Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner, § 13 InsO Rn 11; ErfK/Müller-Glöge, § 113 InsO Rn 8). Des Weiteren beginnen die gesetzlichen Kündigungsfristen mit der Höchstfrist von drei Monaten zum Monatsende – weiter gehende Vereinbarungen sind auch hier unbeachtlich – mit Zugang der Kündigung und nicht erst mit Zeitpunkt des Dienstantrittes (Berscheid, InVo 1998, 32 ff. m.w.N.; ErfK/Müller-Glöge, § 113 InsO Rn 8). Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aus § 102 BetrVG sind zu beachten.

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